Jugendamt und "Wülfrather Kinder in Not" arbeiten seit 15 Jahren zusammen: Amtsleiterin Bärbel Habermann und Wolfgang Peetz mit dem "Armutszeugnis" mit dem alles anfing. Peetz dankt ausdrücklich Gudula Kohn, die nach vielen Jahren in der Jugendhilfe zum 1. August in Ruhestand gegangen ist. Foto: Kling

Wülfrath. Jedes sechste Kind in Wülfrath lebt in Armut. Und die Corona-Krise verschärft die Probleme, ist Wolfgang Peetz von der Initiative „Wülfrather Kinder in Not“ überzeugt.

„Corona ist ein großer Rückschlag bei der Bekämpfung der Kinderarmut“, sagt Peetz. Er hat vor 15 Jahren die Initiative ins Leben gerufen, die die Chancen der Kinder aus armen Familien verbessern will.

In betroffenen Familien fehlten oft die Möglichkeiten für Homeschooling, die Kinder hätten teilweise keinen ruhigen Platz zum Lernen, kein digitales Endgerät, niemanden, der bei  Schularbeiten helfen kann oder womöglich nicht mal einen Internetanschluss, erläutert Bärbel Habermann, die Leiterin des Wülfrather Jugendamtes, das seit Jahren mit der Initiative zusammenarbeitet. Der „Corona-Jahrgang“ stehe vor der Aufgabe, die Defizite durch wochenlange Schulschließungen aufzuarbeiten. Für Kinder aus armen Familien stünden die Chancen dafür besonders schlecht.

Die Bertelsmann Stiftung hat gerade die neuesten Zahlen vorgelegt. Danach wachsen in Deutschland 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche in Armut auf. Das sind mehr als 21,3 Prozent der unter 18-Jährigen, also etwa jedes fünfte Kind.

In Wülfrath ist nach Information von „Wülfrather Kinder in Not“ jedes sechste Kind betroffen. „Kinderarmut sieht in Deutschland nicht so aus, dass Kinder unter Brücken schlafen“, erklärt Peetz. Vielmehr würden die Kinder durch die Armut ihrer Familien von vielen Dingen des täglichen Lebens ausgeschlossen. Sie hätten kein Geld für eine Geburtstagsfeier, für die Klassenfahrt, den Tablet-PC und auch nicht für Urlaub oder Ferienmaßnahmen.

Wichtigster Punkt der Unterstützung war über Jahre für die beim DRK angesiedelte Initiative die Finanzierung von Mittagessen für arme Kinder in Kindergärten und Schulen. „Diese Finanzierung ist die Eintrittskarte für die Ganztagsbetreuung“, erklärt Peetz. Und die sei  gerade für Kinder aus armen Familien besonders wichtig.

Zwar stelle inzwischen das Land die Mittel für Schulmittagessen bereit, aber in der Zeit der Schulschließungen sei das auch gleich wieder eingestellt worden.

Peetz hat für solches Verhalten kein Verständnis, denn schließlich hätten die Kinder mittlerweile einen Rechtsanspruch darauf. Die Initiative sei eingesprungen und habe 300 Gutscheine für Lebensmittel im Wert von je 50 Euro an betroffene Familien verschickt.

Wolfgang Peetz ist dankbar für die große Unterstützung, die „Wülfrather Kinder in Not“ aus der Bevölkerung erhält. Bei Familienfeiern aller Art werde inzwischen für die Initiative gesammelt. Es gebe Wülfrather, die seit Bestehen monatlich per Dauerauftrag für die Einrichtung spenden. Weitere Informationen dazu gibt es auf der Seite des Roten Kreuzes https://www.drk-wuelfrath.de/.

Über die Initiative „Wülfrather Kinder in Not“

Mit einem „Armutzeugnis“ ist die Initiative „Wülfrather Kinder in Not“ vor 15 Jahren gestartet. In diesem Zeugnis steht die Note „ungenügend“ für die Chancen und die sozialen Kontakte von Kindern aus armen Familien. „Mangelhaft“ steht hinter Integration, Bildung, Ernährung und Zuwendung.

Der Gründer der Initiative, Wolfgang Peetz, sieht nur einen Ausweg für betroffene Kinder: „Bildung, Bildung, Bildung.“ Deshalb hat die Einrichtung auch dafür gesorgt, dass alle Kinder unter 14 Jahre kostenlos die Stadtbücherei benutzen dürfen.

Die Initiative finanziert Schwimmkurse und hat Anfang des Jahres das „Bildungstandem“ ins Leben gerufen. Dabei unterstützen Paten des Gymnasiums Schülerinnen und Schüler der Grundschule Lindenstraße. Mehr darüber steht unter https://supertipp-online.de/2020/01/31/mit-bildung-raus-aus-der-armut/

Wolfgang Peetz hofft, das „Bildungstandem“ in Zukunft an allen Grundschulen anbieten zu können.

Mit Unterstützung der Kreissparkasse und der Firma Lhoist kann die Initiative mittlerweile etwa 150 Kindern Weihnachtswünsche erfüllen. Zusammen mit dem Jugendamt sind außerdem 200 Spiele angeschafft worden.

„Teilnahme, Teilhabe, Teil sein“, nennt Amtsleiterin Bärbel Habermann die Ziele für Kinder und Jugendliche aus armen Familien. Dafür gebe es einen sehr großen Kreis an ehrenamtlichen Unterstützerinnen und Unterstützern, wie beispielsweise die Zahl von etwa 50 Teilnehmenden bei der Armutskonferenz zeige.

Dank der engen Zusammenarbeit der Initiative „Wülfrather Kinder in Not“ könne in vielen Einzelfällen unbürokratisch und spontan geholfen werden. Habermann: „Das schafft wirklich nur Wülfrath.“