Online-Veranstaltung mit Rolands Jahn, Leiter des Stasi-Unterlagen Archivs auf Einladung von Peter Beyer MdB. Foto: Peter Beyer
Online-Veranstaltung mit Rolands Jahn, Leiter des Stasi-Unterlagen Archivs auf Einladung von Peter Beyer MdB. Foto: Peter Beyer

Berlin/Kreis Mettmann. Die Geschichte habe uns gelehrt, dass die Freiheitsrechte schnell auf der Strecke bleiben können, sagte Roland Jahn, der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen in der Online-Diskussion von Peter Beyer. „(Über)Leben in der DDR – eine Spurensuche” lautete der Titel des Abends, zu der der Bundestagsabgeordnete und Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung am Freitagabend eingeladen hatte. Rund 80 Interessierte auf mehr als 50 Kanälen waren zugeschaltet und nutzten die Gelegenheit, mit dem ehemaligen Bürgerrechtler und Leiter des Stasi-Unterlagen-Archivs ins Gespräch zu kommen.

Am 9. November 1989 endete der Kalte Krieg. Die neu gewonnene Freiheit führte zur Annäherung zwischen Ost und West. 2019 feierten die Deutschen 30 Jahre Mauerfall. 2020 waren Ost- und Westdeutschland 30 Jahre wieder vereint. Mit dem Einigungsvertrag war die Teilung nach 45 Jahren überwunden. „Eine ganze Generation ist seitdem aufgewachsen, die keine Erinnerung mehr an die Teilung hat”, stellte Beyer fest. Die Coronapandemie durchkreuzte nicht nur die Feierlichkeiten, auch alle Veranstaltungen und Gesprächsformate rund um das Jubiläum mussten abgesagt werden. Im Oktober 2020 startete Beyer aus diesem Grund seine Online-Gesprächsreihe „Im Dialog: 30 Jahre – eine Spurensuche. Vier Fragen zur Wiedervereinigung“. In diesem Videoformat tauschte er sich mit unterschiedlichen Menschen aus Ost und West verschiedenen Alters aus. Das Ergebnis war beeindruckend. Deutlich seien die unterschiedlichen Perspektiven auf ein heute geeintes Land, auch in Bezug auf den „Unrechtsstaat“ geworden. Der gestrige Abend war die Fortsetzung dieses Dialogs.

Jahn sprach über seinen Werdegang, den Alltag in der DDR, Willkür und Rechtlosigkeit und über den Zwang der Stasi, die Bürgerinnen und Bürger der DDR zu ihrem sozialistischen Glück zu zwingen, um ein System der Unterdrückung aufrecht zu erhalten. Seit 2011 ist er der dritte Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen und damit auch für die Aufarbeitung der DDR-Diktatur mit zuständig.

Freiheit, Demokratie und Werte einer Gesellschaft waren die drei Schwerpunkte des Gesprächs. Jahn warf aktuelle Fragen auf, die gerade in der Corona-Pandemie die Menschen stark beschäftigen: Wie viel Freiheit darf eingeschränkt werden, um die Freiheit letztlich zu sichern? Wo hört die Freiheit des Einzelnen auf? Und: Wo beginnt die des anderen?

Jahn mahnte: Wer die Corona-Maßnahmen mit den Grundrechtseinschränkungen in der DDR gleichsetzt habe nicht verstanden, welches Glück er habe, in einer Demokratie wie der der Bundesrepublik (BRD) leben zu können. Der entscheidende Unterschied zwischen der DDR und der BRD sei, dass die Menschen heute auf die Straße gehen könnten und ihre Meinung äußern dürften, ohne dass sie Repressalien fürchten müssen. „In den Stasi-Akten kann man schwarz auf weiß nachlesen, was passierte, wenn Menschen in der DDR die Grundrechte auf Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit wahrnehmen wollten“, schilderte Jahn. Die Schicksale von Menschen, die jahrelang ins Gefängnis gesperrt wurden, weil sie ihre Meinung äußerten oder über die Grenze in die Freiheit wollten, seien Beleg dafür, dass sich eine Gleichsetzung mit der DDR verbiete.“

Die Stasi-Akten, so der Leiter des Archivs, stärkten das Bewusstsein für die Werte der Demokratie, für die Werte von Freiheit und Menschenrechten. Deutlich wurde an diesem Abend: So wie seine beiden Vorgänger, Joachim Gauck und Marianne Birthler, so ist auch Jahn mehr als ein Behördenchef. Er ist auch ein DDR-Erklärer und Aufklärer. Wenn er im Juni dieses Jahres seinen Posten abgibt, werden wir seine mahnende Stimme vermissen, prophezeite Beyer abschließend.

Mit seinem Doppelbeschluss zur dauerhaften Sicherung der Stasi-Unterlagen im Bundesarchiv und zur Einrichtung eines Amtes einer beziehungsweise eines Opferbeauftragten, das direkt beim Parlament angesiedelt ist, hat der Deutsche Bundestag ein klares Signal dafür gesetzt, dass es keinen Schlussstrich unter die Aufarbeitung des SED-Unrechts geben wird.