Verlieh jeder Veranstaltung einen besonderen Glanz: Heinz Schemken bei der Erzähl-Aktion
Verlieh jeder Veranstaltung einen besonderen Glanz: Heinz Schemken bei der Erzähl-Aktion "Lebende Bücher" in der Bücherei Neviges vor einigen Jahren. Archivfoto: Mathias Kehren

Velbert/Kreis Mettmann. Wir wissen ja alle tief im Inneren, dass unser Lebensfaden jederzeit reißen kann. Aber wir verdrängen dieses Wissen so gut es geht, denn sonst ließe sich ja kaum leben. Aber manchmal, wenn uns die Nachricht erreicht, dass es jemanden getroffen hat, der uns nahesteht, dann scheint die Zeit still zu stehen. So wird es vielen Menschen ergangen sein, als sie die Nachricht erhielten, dass Heinz Schemken, der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete und Bürgermeister von Velbert, gestorben ist.

Schemken war immer da. Er war bereits Bürgermeister, als es die alte Stadt Velbert noch gab. Und das seit 1969. Und er war – natürlich möchte man sagen – auch Bürgermeister, als 1975 die heutige Stadt Velbert durch die Zusammenführung mit Langenberg und Neviges entstand. Dann geschah 1984 etwas, das man sich irgendwie nicht vorstellen konnte: Die neue rot-grüne Mehrheit im Velberter Rathaus wählte Klaus Mühlhoff von der SPD zum neuen Bürgermeister. Und Schemken wurde Stellvertreter. Fünf Jahre später allerdings wurde – aus Sicht der CDU – dieser „geschichtliche Irrtum“ korrigiert. Heinz Schemken wurde wieder Bürgermeister und blieb es bis 1998.

Es ist unmöglich, an dieser Stelle aufzulisten, was Heinz Schemken alles gemacht hat. Nicht mal alle Ämter als Vorsitzender würden in diese Zeilen passen. Unglaublich, was alles in ein einziges Leben passen kann. Natürlich war der CDU-Mann vor allem in der Politik unterwegs. Bei der Direktwahl zum Bundestag sorgte er mit Spitzenwerten bundesweit für Aufsehen. Viele Menschen gaben Schemken ihre Stimme, obwohl sie mit der Zweitstimme gar nicht CDU wählten. Hätte es eine Umfrage zur Beliebtheit von Politikern gegeben, wie sie heute bei Bundespolitikern üblich ist: Schemken hätte sie Jahre lang, ach was, Jahrzehnte lang unangefochten angeführt.

Was mag ihn in diese Position gebracht haben? Heinz Schemken war nahbar. Bodenständig. Gesellig, ja geradezu ein Entertainer, wenn er zur Gitarre griff. Bekannt wie ein bunter Hund. Es war wie beim Hasen und beim Igel: Heinz Schemken war immer schon da.

Vor vielen Jahren habe ich versucht, ihn einen Samstag lang zu begleiten. Es ging den ganzen Tag und den ganzen Abend von einer Veranstaltung zur nächsten. Mal war er als Bürgermeister unterwegs, mal als Bundestagsabgeordneter. Wir waren in Langenberg, Ratingen, Velbert, Wülfrath, es ging immer nur hin und her. Und immer, wenn er kam, verlieh er einer Veranstaltung, und war sie noch so klein, einen besonderen Glanz. Die Menschen waren Heinz Schemken dankbar, dass er sie und ihr Leben ernst nahm.

Heinz Schemken war selbst in unzähligen Vereinen aktiv, im Sport, in der Kultur, beim Roten Kreuz, dessen Vorsitzender er natürlich war, in der Kirche, Schemken war Bundesvorsitzender des Kolpingwerkes. Er war ständig auf Achse, nicht nur in seiner Heimat, aber hier vor allem.

Heinz Schemken war ansteckend mit seiner Begeisterung für etwas. Ein Menschenfänger. Er war einer, der sich kümmerte. Den Mitmenschen anriefen, wenn sie Hilfe brauchten, und Heinz Schemken guckte, was er tun konnte.

Natürlich hatte Heinz Schemken Familie, war Ehemann, Vater und Opa. Einen „richtigen“ Beruf hatte er ja auch noch erlernt als Kunst- und Bauschlosser. Dies brachte ihn zunächst als Ausbilder, später als Geschäftsführer zur Lehrwerkstatt der Industrie in Velbert. Denn der Bürgermeister war zu Schemkens Zeiten ja noch ein Ehrenamt.

Wir trafen uns bei runden Geburtstagen und Beerdigungen, waren zusammen im Bundestag in Berlin, wo er Angela Merkel vorstellte, als sie noch keine Bundeskanzlerin war. Wir waren nach der Wende in Dresden und in der Lausitz, wo es darum ging, was Westdeutschland beim Wiederaufbau des Ostens tun kann. Wir waren am anderen Ende der Republik bei Franz Josef Strauß in der Nibelungenhalle in Passau. Und immer im Gepäck war die Gitarre. Es bestand ja stets die Möglichkeit, dass es am Ende doch noch gemütlich werden könnte.

Die traditionelle Wanderung durch den Langenhorst erzählt vielleicht am meisten über den Menschen Heinz Schemken. Jahr für Jahr lud er öffentlich dazu ein, mit ihm durch dieses Waldstück vor seiner Haustür zu wandern und anschließend gesellig zusammen zu sitzen.

Hunderte wollten dabei sein. Es wurde eine Sternwanderung mit zwei Startpunkten. Und es war ihm wichtig, dass wir von der Redaktion bloß nicht vergaßen, diesen Termin anzukündigen. Dafür reichte er die Einladung schriftlich rein. Und rief noch mal an. Immer. Sicher ist sicher. Im vergangenen Jahr fiel die Wanderung erstmals aus – Corona.

Heinz Schemken kam auch jedes Jahr vor Weihnachten in die Redaktion, um sich für die Zusammenarbeit zu bedanken. Mit einem riesigen Tablett Kuchen. Ja, Heinz, es ist aufgefallen, dass Du letzten Dezember nicht da warst!

Heinz Schemken hat unglaublich viele Leute geehrt, mit Bundesverdienstkreuzen ausgezeichnet, aber Ehrungen für sich selbst konnte er irgendwie immer aus dem Wege gehen. Natürlich wird ihn der Hunger nach Anerkennung angetrieben haben, wie bei so vielen Menschen im öffentlichen Leben. Aber Heinz Schemken hat in diesem Hunger immer versucht, eine bessere Welt zu schaffen. Ein guter Mensch zu sein. Die Welt ein Stück menschlicher zu machen. Mehr kann man von einem Leben nicht verlangen.

Am Samstag, 27. Februar 2021, ist der Lebensfaden von Heinz Schemken gerissen. Er wurde 85 Jahre alt.