Andreas Smolka leitet im Kreis Mettmann die Caritas-Fachstelle für Gewaltprävention. Foto: Caritas
Andreas Smolka leitet im Kreis Mettmann die Caritas-Fachstelle für Gewaltprävention. Foto: Caritas

Mettmann. Die Caritas im Kreis Mettmann setzt bei dem „Weg aus der Gewaltspirale“ auf Täterarbeit durch Profis. So wolle man  kreisweit Opfer von häuslicher Gewalt schützen.

„Häusliche Gewalt ist allgegenwärtig“, so das nüchterne Fazit der Caritas. Strafen allein seien selten das geeignete Mittel – im sozialen Nahfeld blieben Täter und Opfer oft weiterhin zusammen. „Hier helfen Aufklärung, Beratung und Training weiter“, so die Caritas. Durch die Arbeit mit Täterinnen und Tätern soll der Kreislauf von häuslicher Gewalt durchbrochen werden, indem Gewaltausübende Verantwortung übernehmen und ihr gewalttätiges Verhalten beenden. Die Caritas-Fachstelle für Gewaltprävention mit ihrer spezialisierten Beratungsstelle im Kreis Mettmann verzeichnet nach eigenen Angaben jährlich steigende Klientenzahlen.

„Wenn es um das Thema häusliche Gewalt geht, helfen keine platten Sprüche“, so die Caritas. Die Methoden sind vielfältig, bei der Caritas setzt man bei den Täterinnen und Tätern an: „So ungewöhnlich es im ersten Moment klingen mag, Täterarbeit ist auf lange Sicht der nachhaltigste Opferschutz“, erklärt Thomas Rasch, verantwortlich für den Bereich Integration und Rehabilitation bei der Caritas. In der Fachberatung gegen häusliche Gewalt beschäftigt der Kreis-Caritasverband Profis, die informieren, beraten und therapeutische Angebote für Einzelne und Gruppen im Angebot haben. Schlagende bräuchten Hilfe, darüber seien sich Experten landesweit einig, erklärt die Caritas. Häusliche Gewalt sei in den allermeisten Fällen erlernt, nicht angeboren – also könne der Täter auch etwas daran ändern, wenn er denn wirklich will.

Klienten bleiben über Monate im Programm

„Zugegeben, das klappt nicht von heute auf morgen. Lässt sich ein Klient auf die Zusammenarbeit mit uns ein, bleibt er in aller Regel ein Dreivierteljahr oder länger im Programm“, bestätigt Andreas E. Smolka. Der Familientherapeut und ausgebildete Trainer für Täterarbeit bei häuslicher Gewalt verantwortet die Fachstelle und spricht aus jahrelanger Erfahrung.

Am bundesweit verbindlichen Standard zur Arbeit mit Tätern häuslicher Gewalt der BAG TäHG und des Bundesfamilienministeriums, an dem sich die Täterarbeit betreffend auch das Gewaltschutzkonzept des Kreises Mettmann orientiert, hat er mitgearbeitet: „Keine Frage, Opfer von häuslicher Gewalt brauchen Hilfe und Unterstützung. Wenn sich aber dauerhaft etwas ändern soll, muss es auch für die Täter eine Hilfestellung geben. Nach der ersten Ohrfeige, der ersten Beleidigung, den ersten wüsten Beschimpfungen oder der Beschlagnahme des Handys der Partnerin öffnet sich oft eine Spirale der Gewalt, aus der es kein Entrinnen mehr gibt. Wer im häuslichen Bereich Gewalt ausübt, löst einen unheilvollen Kreislauf aus. Wir helfen da wieder heraus“, verspricht Smolka.

Etwa die Hälfte der Klienten käme, mit einer Auflage der Justiz, doch erlebt Smolka zunehmend, dass Männer – aber auch Frauen – freiwillig in die Beratungsstelle kommen. Die Selbstmelder würden durch ausgelegte Flyer, Tipps von Freunden oder Jugendämtern auf das Hilfsangebot aufmerksam. Auf sie wartet neben Einzelgesprächen am Ende der soziale Trainingskurs in der Gruppe. In 26 einmal wöchentlich stattfindenden Sitzungen von je zwei Zeitstunden, geht es unter anderem um Kommunikation, Rollenverständnis, Selbstwahrnehmung, Opferempathie sowie vor allem die Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen und in praktischen Übungen Handlungsalternativen zu erlernen.

Häusliche Gewalt kommt in allen gesellschaftlichen Schichten vor

Häusliche Gewalt ist weder eine Frage der gesellschaftlichen Stellung, Herkunft oder Religion. Der Hilfsarbeiter schlägt seine Freundin oder Ehefrau ebenso oft, wie der Akademiker oder Verwaltungsangestellte. „Häufig fällt es in einem Mietshaus nur eher auf als in den nicht einsehbaren Eigenheimen am „Speckgürtel“ der Städte“, stellt die Caritas fest. Auch sei die Hemmschwelle einen persönlich bekannten Nachbarn, womöglich jemanden in einer gehobenen Position, anzuzeigen höher, als in einem Hochhaus die Polizei zu alarmieren, wenn die Hilferufe aus der Nachbarwohnung mal wieder nicht zu überhören sind.

Das Muster sei meistens gleich: Aus Ohnmacht reagierten die Täter auf beruflichen oder privaten Druck oder für sie nicht hinnehmbares Verhalten der Partnerin mit Aggressivität. Oft kehrt danach erst einmal Ruhe ein. Der Täter entschuldige sich und gelobe Besserung. Er rechtfertige sein Fehlverhalten und suche die Schuld für sein Ausrasten nicht selten beim Opfer. Die Problemursache sei damit aber nicht gelöst.

„Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen fällt oft schwer, ist aber erlernbar“, weiß auch Alexander Lajios, der als zertifizierte Fachkraft ebenfalls zum Team der Beratungsstelle gehört. Verantwortungsübernahme sei notwendig, damit der Gewaltkreislauf überhaupt unterbrochen werden kann, damit eine nicht genehme SMS der Frau, ein unbedachtes Wort oder eine Ungeschicklichkeit im Haushalt nicht erneut zu einem Gewaltausbruch führt.

Gewalt gegen Frauen beginnt meist lange vor dem ersten Schlag: Ein oft schleichender Prozess: das Überwachen des Handys, das ständige Herabwürdigen der Partnerin oder das Verbot bestimmte Freundinnen zu treffen. Auch das ist Gewalt und trifft im Einzelfall nicht minder hart wie die geballte Faust, die man(n) irgendwann nicht mehr unter Kontrolle hat.

„Es gibt keine Rechtfertigung für häusliche Gewalt“

Etliche Hundert bekanntgewordene Fälle häuslicher Gewalt im Kreis Mettmann Jahr für Jahr sprechen eine deutliche Sprache. „Es gibt keine Rechtfertigung für häusliche Gewalt, es gibt aber Hilfen, die es anzunehmen gilt, damit die aktuelle oder spätestens die nächste Partnerin vor Übergriffen geschützt ist“, appelliert Andreas E. Smolka und führt aus: „Als Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt, beraten wir nach den neuesten Erkenntnissen und sind kontinuierlich im Dialog mit anderen Einrichtungen“.

Auch am Runden Tisch gegen häusliche Gewalt des Kreises Mettmann sitzt der Caritasverband gemeinsam mit Justiz, Verwaltung und anderen Institutionen, etwa dem Frauenhaus. Der Information und Sensibilisierung von Multiplikatoren, wie Lehrern, Ärzten oder den Mitarbeitern sozialer Dienste wird eine große Bedeutung beigemessen. „Je früher und aus eigenen Stücken sich ein Mann bei uns meldet, umso größer sind die Erfolgsaussichten“, weiß Rasch aus jahrelanger Erfahrung. Täterarbeit sei gelebter Opferschutz, resümiert die Caritas. Gewalt in der Partnerschaft sei ein Kreislauf, aus dem man nur schwer ohne fremde Unterstützung aussteigen kann.

Die Beratungsstelle der Caritas gegen häusliche Gewalt ist kreisweit zuständig und hilft unabhängig von Geschlecht oder sexueller Orientierung. Die Beratungsstelle ist unter der Rufnummer 02104 79493335 oder per E-Mail [email protected] erreichbar. Informationen zum Angebot: www.caritas-taeterarbeit.de.