Steuersenkung? Bei den Benzinpreisen ist alles wie zuvor. Alle Aufnahmen stammen aus dieser Woche. Fotocollage: Mathias Kehren

Dies ist eine Polemik in Sachen Spritpreise. Falls Sie eine sachliche, ausgewogene, faire Berichterstattung bevorzugen: Bitte nicht weiterlesen!

Es ist immer noch erstaunlich, wie naiv wir sind. Wir lesen und hören, der Staat senkt die Benzinsteuern und denken: prima, 35 Cent weniger, das lohnt sich wenigstens mal. Und wir glauben tatsächlich: Dass diese Steuersenkung bei uns ankommt.

Auch ich stand in dieser Woche vor der Tankstelle, den Tankstellen und dachte: Hallo? Das ist doch teurer als beim letzten Tanken vor der Steuersenkung. Geht’s noch?

Dabei hätte ich es doch besser wissen müssen, schließlich bin ich auf einer Tankstelle aufgewachsen. Und daher weiß ich: Die, die die Tankstelle führen, haben am wenigsten zu sagen. Es soll ja noch Leute geben, die glauben, dass der Tankstellenpächter oder die -pächterin Einfluss auf den Preis an der Zapfsäule haben. So wie der Bäcker schließlich auch den Preis der Brötchen bestimmt. Falsch. Der Tankstellenpächter ist ein Ausführungsgehilfe. Andere sagen Sklave dazu. Sklave der Konzerne.

Bei unserem Familienbetrieb saß der Konzern in Hamburg. Und wenn „die aus Hamburg“ anriefen, dann kletterte der Tankstellenpächter auf die Leiter, um an der Anzeigetafel die Ziffern für die Preise zu verändern.

Heute käme der Mann gar nicht mehr von der Leiter runter. Dank digitaler Technik werden inzwischen stündlich die Preise geändert, nicht mehr von Tag zu Tag. Es geht zu wie an der Börse.

Und hat jemand geglaubt, diese Börsenhändler sind so nett und geben die Preissenkung an uns, die gebeutelten Verbraucher weiter? Naiv ist es, dass wir Verbraucher das vielleicht geglaubt haben. Bescheuert ist, dass es unsere Regierung getan hat.

Das Geschäft funktioniert so: Wenn irgendwo in China ein Fass Rohöl umfällt, steigt der Rohölpreis – angeblich. Und Benzin wird sofort teurer. Schlagartig. Gibt es aber irgendeinen Grund, warum Benzin billiger werden sollte, zum Beispiel eine Steuersenkung, haben sie tausend Gründe, warum genau das jetzt aber nicht sofort geschieht.

Ein kleine Bemerkung am Rande: Auch die Konzerne haben das mit der geplanten Steuersenkung gehört und gelesen. Und was haben sie gemacht? Den Spritpreis ab April Schritt für Schritt in die Höhe geschraubt bis zum (Achtung!) 31. Mai. Dann kam die Steuersenkung, die Kurve ging kurzzeitig nach unten, um sofort wieder zu steigen. Und schwups: Benzin ist genauso teuer wie beim letzten Tanken. Oder gar teurer. Die können zaubern, nicht wahr?

Die einzige Sprache, die die Monopolisten verstehen, ist Boykott. So etwas wie autofreie Sonntage in den siebziger Jahren, das lässt sie erzittern. (Gibt es die deshalb jetzt nicht?) Die schädigen natürlich auch jede Menge andere Wirtschaftszweige (Gastronomie, Freizeitbereich), es gibt immer tausend Gründe, siehe oben.

Falls sich jemand an dem Begriff Monopol stört: Das Monopol haben sie auf den Stoff, der das Auto antreibt: Benzin oder Diesel. Bis Anderes für breite Massen konkurrenzfähig ist, dauert es immer noch viel zu lange. Und die Konzerne brauchen sich untereinander gar nicht abzusprechen – die verstehen sich blind.

Privater Boykott: zu Fuß gehen, Radfahren, Bus und Bahn

Das Einzige, was also dagegen hilft, sich weiter aufzuregen: Privater Boykott, auch wenn der die bedauernswerten Tankstellenpächter unverschuldet trifft. Zu Fuß gehen, Radfahren, Bus oder Bahn nehmen, das Auto stehen lassen, wo eben möglich. Die Zukunft hat schon begonnen.

Ach übrigens: Nach drei Monaten soll ja der Spuk mit der gesenkten Benzinsteuer wieder vorbei sein. Was meinen Sie, wie lange es dauert, bis der Sprit 35 Cent pro Liter teurer wird? Da sind sie bestimmt ganz fix. Es muss schließlich keiner mehr auf die Leiter steigen.