Bus, Bahn und Fahrrad können das Auto in Teilen des Alltags ersetzen. Aber es muss einfacher werden. Foto: Kling

Kreis Mettmann. Was bringt das 9-Euro-Ticket? Eine Betrachtung.

Einmal in der Woche fahre ich zur Familie. Mit dem Auto, etwa 30 Kilometer. Dauert 45 bis 50 Minuten. Von Tür zu Tür. Kein Stau. Kein Problem. Ich habe mich noch nicht gefragt, was das kostet, selbst bei den aktuell hohen Spritpreisen.

Ich weiß aber, was das kostet, mit der Bahn zu fahren: 13 Euro von Wülfrath aus. Pro Strecke. (Einzelticket, Preisstufe C) Macht hin und zurück 26 Euro. Indiskutabel. Mal ganz abgesehen vom Zeitaufwand. Eineinhalb Stunden pro Strecke. Aber nur, wenn alles pünktlich ist, was nie der Fall ist. Ich habe es ausprobiert.

Zum Beispiel: Wenn der Zug von Essen nach Wuppertal nur fünf Minuten Verspätung hat, schaffe ich den Bus nach Wülfrath nicht. Wartezeit auf den nächsten: etwa 55 Minuten. Wer so was auf sich nimmt, muss verrückt sein. Oder keine Alternative haben.

Zumindest finanziell habe ich jetzt eine Alternative: das 9-Euro-Tickets. Ich lasse das Auto stehen, wo es nur geht. Wegen Putin, der Spritpreise, der Umwelt. Aber es hat Grenzen.

Mit dem Bus zum Bahnhof geht gar nicht, siehe oben. Jetzt im Sommer kann man das Fahrrad nehmen. So machen es auch viele Ausflügler, jetzt mit dem 9-Euro-Ticket. Zum Beispiel mit der S 9 an den Baldeneysee (regulär: Kupferdreh – 6,10 Euro pro Person und Strecke) oder nach Haltern am See: Das würde sonst 15,70 Euro pro Person und Strecke kosten. Plus 3,70 Euro pro Fahrrad und Tag. Für einen Tagesausflug nach Haltern würde das zwei Personen schon mal 70,20 Euro kosten. Für Leute, die die ellenlangen Preistabellen des VRR studieren und durchschauen können, gibt es das auch günstiger. Aber wer kann und will das schon.

Finanziell ist das 9-Euro-Ticket für die Nutzer ein Knüller. Für den Bund aber ein finanzielles Desaster. Denn nicht zu vergessen: ÖPNV ist auch bei den genannten unattraktiven Preisen ein gigantisches Zuschussgeschäft.

Aber es zeigt den richtigen Weg: Ich habe überall und immer ein gültiges Ticket dabei. Ich kann einfach in Bus oder Bahn steigen (Fernverkehr ausgenommen) und muss mich nicht darum kümmern, welches Ticket ich brauche, wo ich es bekomme und so weiter.

Ein kleiner Ausflug in den Tarif-Dschungel des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr gefällig? Da haben wir das Einzelticket, das Viererticket, das 24-Stunden-Ticket und das 48-Stunden-Ticket, Flex-Tickets, Eezy, das Ticket 1000, das Ticket 2000, das Ticket 2000 ab 9 Uhr, das Bären-Ticket, das Schoko-Ticket, das … Das alles für die Preisstufen K (für Kurzstrecke), A 1, A 2, A 3, B, C, D – sind Sie noch da oder schon verzweifelt abgesprungen?

Und jetzt noch der Knüller: Das ist lediglich eine Auswahl beim Verkehrsverbund Rhein-Ruhr. Damit komme ich nicht mal nach Köln oder Münster, was immerhin noch in NRW liegt.

Das wäre der gigantische Vorteil eines deutschlandweit gültigen Nahverkehrs-Tickets: Ich kann einfach Bus und Bahn fahren, ohne darüber nachdenken zu müssen. Online haben wir eine Umfrage gestartet: Was wären Sie bereit zu zahlen für ein solches bundesweit gültiges Ticket? Der Bundesverband der Verbraucherzentrale schlägt beispielsweise ein Ticket für 29 Euro im Monat vor. Ich jedenfalls wäre dabei. Wegen Putin, der Spritpreise und der Umwelt.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: https://supertipp-online.de/2022/07/22/einfach-einfach-einfach-ticket-muss-zum-umsteigen-einladen/