Demonstrierende von Long-Covid-Selbsthilfegruppen aus Rheinland-Pfalz protestieren mit Schildern "Ich will mein Leben zurück" und "Arm durch Covid" vor einem Auftritt von Bundeskanzler Scholz. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild

Essen (dpa/lnw) – Nordrhein-Westfalens Sozialgerichte rechnen mit zahlreichen Prozessen zu den Folgen der Corona-Pandemie und zum Bürgergeld für Ukraine-Flüchtlinge. Bei Corona werde es voraussichtlich etwa um die Anerkennung von sogenannten Post-Covid-Syndromen von Beschäftigten im Gesundheitssystem durch Unfallversicherungsträger gehen, sagte der Präsident des Landessozialgerichtes NRW, Jens Blüggel, der Deutschen Presse-Agentur. Ein anderes Thema seien Corona-Impfschäden.

Mehrere Tausend Verfahren rund um Corona

Es sei auch zu erwarten, dass Menschen, die nach Corona-Erkrankungen dauerhaft nicht gesund würden, Rentenanträge stellten – einschließlich der damit verbundenen Rechtsstreitigkeiten. Noch gebe es keine wirkliche Prozesswelle, die Begutachtungen zu Covid-Erkrankungen stünden noch am Anfang, «aber da kommt was auf uns zu», sagte Blüggel. In der Summe könne es sich bundesweit um mehrere Tausend Verfahren rund um Corona handeln.

Höhere Verfahrenseingänge seien auch zur Grundsicherung für arbeitsuchende Ukraine-Flüchtlinge zu erwarten. Ihre Integration in den Arbeitsmarkt stehe noch ganz am Anfang und werde viel Zeit benötigen. «Und je länger der Leistungsbezug geht, desto mehr Streitigkeiten gibt es erfahrungsgemäß», sagte der LSG-Präsident. Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine bekommen nach einer Entscheidung der Bundesregierung seit Juni 2022 Zugang zu den Grundsicherungssystemen – haben also Anspruch etwa auf Bürger- und Kindergeld.

Wie groß darf die Wohnung für Bürgergeld-Empfänger sein?

Für Leistungen der Grundsicherung habe es während der Corona-Pandemie Sonderregelungen gegeben, die aber inzwischen ausgelaufen seien, sagte Blüggel. Damit gingen die Streitigkeiten wieder los – etwa um die von den Jobcentern unterschiedlich bewertete Frage, welche Wohnungsgröße für Bürgergeld-Empfänger angemessen ist.

In Nordrhein-Westfalen sind acht Sozialgerichte und ein Landessozialgericht für Rechtsstreitigkeiten rund um Krankheit, Rente, Arbeitslosigkeit, Unfälle oder Pflege zuständig. Die Zahl der Verfahren geht – wie im Bundesschnitt – seit einigen Jahren zurück – unter anderem, weil eine Klagewelle der Vergangenheit zu Abrechnungen von Krankenhäusern inzwischen deutlich abgeebbt ist, wie Blüggel sagte.

Die nachlassende Belastung werde genutzt, um Aktenberge zu verringern, sagte Blüggel. So sei im vergangenen Jahr bei den Sozialgerichten die Zahl der nicht erledigten Verfahren um mehr als 6200 auf 87 106 verringert worden.

Verfahren dauern noch zu lang

Dennoch sei die Verfahrensdauer noch nicht befriedigend, sagte Blüggel: Im Schnitt habe es im vergangenen Jahr 16,4 Monate gedauert, bis Kläger vor NRW-Sozialgerichten – also der ersten Instanz – eine Entscheidung bekommen hätten.

In Eilverfahren liege die durchschnittliche Laufzeit bei 1,7 Monaten. Wenn es aus dringenden Gründen – etwa bei der Erstattung strittiger teurer Behandlungen von Schwerkranken – noch schneller gehen müsse, gehe das aber auch. «Wenn es sein muss, können wir auch in wenigen Tagen entscheiden.»