Düsseldorf (dpa/lnw) – Sportmoderator Marcel Reif wünscht sich mehr Selbstverständlichkeit für jüdisches Leben in Deutschland. «Ich hätte gerne ein deutsches Leben, in dem jüdisches Leben der normalste Teil der Welt ist», sagte Reif bei einer Ausstellungseröffnung zu 60 Jahren deutsch-israelischer Beziehungen im Düsseldorfer Landtag. Ihm sei egal, ob jemand Jude oder Christ sei: «Ich möchte jüdisches Leben nicht als etwas fürchterlich Besonderes empfinden.»
Ein Museum wie Fort Knox
Auf dem Weg zur Arbeit fahre er zweimal in der Woche am Jüdischen Museum in Berlin vorbei, erzählte der 75-jährige Sohn eines Holocaust-Überlebenden. «Das ist wie Fort Knox gesichert. Wo sind wir denn?»
Es sei unfassbar, dass im Jahr 2025 wieder über Antisemitismus in Deutschland geredet und ein jüdisches Museum wie ein Hochsicherheitstrakt gesichert werden müsse. «Wir sind auf einem schlechten Weg», warnte Reif.
Der Journalist ist eine der porträtierten Personen in der Ausstellung «Deutschland. Israel. Einblicke». Dort zeigen Menschen des öffentlichen Lebens ihre Sicht auf beide Länder und beziehen Position zu 60 Jahren deutsch-israelischer Beziehungen.
Freundschaft erlaubt Kritik
«Diese Beziehungen werden immer besondere Beziehungen bleiben und sie sind eine besondere Freundschaft», sagte Reif. «Aber das ändert ja nichts daran: Wenn eine israelische Regierung gegen Kriegsrecht oder Völkerrecht verstößt, dann ist das ein Verstoß gegen Kriegsrecht und Völkerrecht.»
Israel-Kritik könne nicht mit Antisemitismus gleichgesetzt werden. Wer Freundschaften pflege, dürfe auch ein kritischer Freund sein und müsse nicht aus einer fast blindwütigen «Staatsräson» heraus alles richtig finden, was Israel tue, unterstrich Reif.
Er mahnte, auch die Generationen, die den Holocaust nicht selbst erlebt hätten, müssten die Berichte über die Nazi-Gräuel und die Lehren aus der Geschichte weitertragen, wenn die Zeitzeugen nicht mehr da seien. Das bedeute natürlich nicht, dass die jungen Leute für die Vergangenheit mitverantwortlich seien.
Zu Besuch in der Schule der Enkel
Reif berichtete von einem Besuch in der Schule seiner Enkel. «Am Ende habe ich denen gesagt: „Niemand wird euch verantwortlich machen dürfen für das, was mal war, aber jeder wird euch verantwortlich machen müssen für das, was mal ist, wenn es wieder passiert“».
Gedenkveranstaltungen und die Mahnung «Nie wieder» dürften keine wohlfeilen Floskeln werden, mahnte der 75-Jährige. Das wäre nicht bloß eine Gefährdung jüdischen Lebens, sondern eine Gefährdung der Gesellschaft insgesamt.
«Sei ein Mensch!»
Dass die simple Mahnung, die sein Vater Leon ihm mit auf den Weg gegeben habe – «Sei ein Mensch!» – heutzutage geradezu eingeklagt werden müsse, sei furchtbar, sagte Reif. «Dann hätten wir lieber Kaulquappen bleiben sollen – das wäre für diesen Planeten besser gewesen», schloss er seine Rede. «Also sei ein Mensch und wenn du einen triffst, der ist nichts anderes als ein Mensch.»
Bei der Ausstellungseröffnung waren auf Einladung der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf auch drei Gäste aus Israel anwesend. «Sie haben Angehörige durch den Terror der Hamas verloren», sagte Landtagspräsident André Kuper. «Die Freilassung sämtlicher Geiseln hat weiterhin oberste politische Priorität!»
An diesem Mittwoch erinnern Landtag, Landesregierung und die israelische Botschaft in einer Feierstunde an die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen des Staates Israel und der Bundesrepublik Deutschland vor 60 Jahren. Neben Kuper wollen auch Ministerpräsident Hendrik Wüst und der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, sprechen.