Besichtigung eines Tatorts: Hier soll ein Polizist einem unbewaffneten Flüchtenden in den Rücken geschossen haben. (Archivbild)
Besichtigung eines Tatorts: Hier soll ein Polizist einem unbewaffneten Flüchtenden in den Rücken geschossen haben. (Archivbild) Foto: Martin Höke/dpa

Düsseldorf (dpa/lnw) – Im Prozess gegen einen Polizisten, der einem unbewaffneten Flüchtenden in den Rücken geschossen hat, sieht das Gericht keine Notwehrsituation, die den Schusswaffeneinsatz gerechtfertigt hätte. «Die Voraussetzungen für einen gezielten Schusswaffeneinsatz lagen nicht vor», sagte der Vorsitzende Richter bei einer vorläufigen Bewertung. Das Vorgehen erfülle «objektiv den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung im Amt». 


«Wenn sich eine Person weg bewegt, ist da nichts, was man als Angriff sehen könnte. Wir sehen entsprechend keine Notwehrlage.» Dennoch müsse man Polizisten zugutehalten, dass sie sich unter erheblichen Zeitdruck und schwierigen Einsatzbedingungen entscheiden müssen, falsche Wahrnehmungen und fehlerhafte Rechtsanwendung inbegriffen. 

Das Gericht sei noch unschlüssig, wie es den Fall rechtlich zu bewerten habe, möglicherweise als fahrlässige Körperverletzung. Der Staatsanwalt bekräftigte, man hätte in der Situation allenfalls über Warnschüsse nachdenken können. Auch wenn der Polizist angenommen habe, dass der Mann mit einem Messer und einem Taser herumlaufe: Die rechtlichen Vorgaben für eine gezielte Schussabgabe hätten nicht vorgelegen. 

Drei Kugeln abgefeuert, eine traf

Der Verteidiger argumentierte, entscheidend sei die Situation beim ersten Schuss, der den Geschädigten noch verfehlt hatte. Die Polizisten lernten zu schießen, bis Wirkung eintritt. Dabei habe es sich um einen Zeitraum von weniger als eine Sekunde gehandelt. Der Polizist hatte drei Kugeln abgefeuert, erst die dritte traf. 

Der angeklagte Polizist sagte, er habe den Taser ausgelöst, der nicht die erhoffte Wirkung gezeigt habe und dem Mann dann Handschellen anlegen wollen. Der habe sich aber gewehrt und ihm dabei den Elektroschocker abnehmen können. 

Als er angefangen habe zu schießen, sei der Geschädigte noch in seine Richtung gewandt gewesen und habe den Elektroschocker in seine Richtung gehalten. Der Staatsanwalt merkte an, dass diese Version des Angeklagten neu sei.

Zudem versuchte der Polizist, die Aussage der Anklage zu entkräften, er habe den unbewaffneten Mann aus sechs bis sieben Metern Entfernung in den Rücken geschossen. Die Distanz sei geringer gewesen: «Der ist weiter getaumelt, nachdem ich ihn getroffen hatte. Möglicherweise bin ich auch selbst dabei zurückgewichen.» 

«Bedrohliche Lage»

Der Polizist war mit einer Kollegin nachts mit gezogener Dienstwaffe in den Park am Hauptbahnhof geeilt, weil dort angeblich ein Mann zwei Passanten mit einem Messer bedroht haben soll. Ein Messer wurde aber nicht gefunden. Ein Anwohner, der Teile des Geschehens beobachtete, sagte aus, das spätere Opfer habe einen Schlüsselbund in der Hand gehabt.

Der inzwischen 33-Jährige war lebensgefährlich verletzt und durch eine Notoperation gerettet worden. Er habe sich damals in den Park schlafen gelegt, als ihn ein Pärchen als Penner und Junkie beleidigt habe, sagte er aus. Der 33-Jährige ist polizeibekannt und gilt als psychisch auffällig. Ein paar Tage vor den Schüssen hatte er randaliert und war in eine Psychiatrie eingewiesen worden. 

Seit 2018 war er der Polizei zufolge 13 Mal aufgefallen – und nach der Schussverletzung in Düsseldorf weitere viermal. Das Gericht will am kommenden Dienstag ein Urteil verkünden.