Düsseldorf (dpa/lnw) – Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat vor Gefahren für die Demokratie auch in NRW gewarnt. Demokratie gelte vielen als selbstverständlich, aber das sei sie nicht, sagte Wüst bei einem Festakt im Landtag zum 75. Geburtstag der Landesverfassung. «Unsere Demokratie muss auch verteidigt werden.»
Es gebe immer mehr politische Kräfte, die einen Keil in die Gesellschaft treiben wollten, sagte Wüst. Extremisten und Radikale – ob politisch oder religiös motiviert – versuchten, das Klima in Deutschland und anderen Demokratien zu vergiften.
Mit Blick auf die Kommunalwahlen in NRW am 14. September sagte der NRW-Regierungschef: «Leider werden Menschen, die sich für unsere Demokratie einsetzen, immer häufiger Opfer von Hass und Gewalt». So habe vor wenigen Tagen der CDU-Politiker Borzoo Afshar seine Kandidatur für das Bürgermeisteramt im ostwestfälischen Löhne aufgegeben. Afshar habe von Drohungen und Angriffen gegen sich und seine Familie berichtet. «Jeder dieser Angriffe ist ein Angriff auf unsere Demokratie», sagte Wüst.
Verfassung ist «Freiheitsurkunde» des Lebens
Die Zeit des Siegeszugs der Demokratie nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 sei vorbei, sagte Wüst. Die Demokratie stehe weltweit unter massivem Druck. In allen Teilen der Welt erstarkten Autokraten. Die Zahl der Demokratien sei auf dem tiefsten Stand seit 20 Jahren. Bedroht werde die Demokratie auch durch den Angriff Russlands auf die Ukraine, der auch ein Angriff auf die Demokratie an sich sei.
Landtagspräsident André Kuper rief Schülerinnen und Schüler im Plenarsaal auf, die Demokratie und Verfassung immer zu verteidigen. Die Verfassung möge ihnen manchmal schwer oder behäbig mit all ihren Paragrafen und Artikeln vorkommen. «Aber wehrt euch, wenn jemand Hand anlegt gegen eure Landesverfassung.» Sie sei «nicht weniger als eine Freiheitsurkunde eures Lebens».
Die Präsidentin des NRW-Verfassungsgerichtshofs, Barbara Dauner-Lieb, sagte, der demokratische Rechtsstaat in Deutschland sei zwar eine Erfolgsgeschichte und ein Geschenk nach dem Zusammenbruch des totalitären Faschismus. Jedoch müsse sich die rechtsstaatliche Demokratie auch in Deutschland immer wieder bewähren.
Dauner-Lieb nannte als Beispiel die Corona-Pandemie. In der Corona-Zeit sei es zu massiven Einschränkungen der verfassungsrechtlich verbürgten Freiheitsrechte gekommen – «mit erheblichsten Belastungen für Gesellschaft und Politik, aber eben auch für den Rechtsstaat». Das habe Nachwirkungen bis heute und müsse noch genauer aufgearbeitet werden.
Verfassung betrifft Alltag aller Menschen
Am 6. Juni 1950 beschloss der Landtag nach kontroversen Diskussionen die Verfassung des Landes, am 18. Juni stimmten die Bürgerinnen und Bürger in einem Volksentscheid zu. Am 11. Juli trat die NRW-Landesverfassung in Kraft. Da war das Land NRW schon rund vier Jahre alt.
Ob Schule, Wahlen, Umwelt- oder Datenschutz – die Verfassung betrifft den Alltag aller Menschen im bevölkerungsreichsten Bundesland. Dabei ist das Gesetzeswerk nicht in Stein gemeißelt, sondern in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder geändert worden.