Düsseldorf (dpa/lnw) – Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) zur maroden Rahmede-Talbrücke vernimmt am Montag (10.00 Uhr) NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) als Zeugen. Wüst war von 2017 bis zu seinem Amtsantritt als Regierungschef im Oktober 2021 Landesverkehrsminister. Auch Wüsts Nachfolgerin auf dem Ministerposten, Ina Brandes (CDU), sowie der aktuelle Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) müssen vor dem Untersuchungsausschuss aussagen.
Anfang Dezember 2021 hatten Experten bei einer Kontrolle der Rahmede-Talbrücke schwere Schäden festgestellt, die Brücke wurde wegen Einsturzgefahr umgehend gesperrt und im Mai 2023 gesprengt. Der komplexe Neubau begann im Oktober 2023. Bisher wurde von Frühjahr 2026 für die Neueröffnung ausgegangen. Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) hatte sich kürzlich aber zuversichtlich gezeigt, dass es schneller gehen könnte.
Die Unterbrechung der wichtigen Verkehrsachse auf der A45, die das Ruhrgebiet mit dem Ballungsraum Frankfurt verbindet, hat seit Ende 2021 gravierende Folgen für den Verkehr und die Wirtschaftsregion Südwestfalen.
Wüst hat persönliche Versäumnisse verneint
Der Untersuchungsausschuss geht seit Mai 2023 vor allem der Frage nach, wer dafür verantwortlich war, dass die Dimension der Schäden an der Rahmede-Talbrücke erst so spät erkannt wurde und warum die Brücke nicht rechtzeitig neu gebaut worden war. Wüst hatte persönliche Versäumnisse bereits verneint.
Während Wüsts Amtszeit als Verkehrsminister wechselte die Zuständigkeit für die Autobahnen vom Landesbetrieb Straßen.NRW zur Autobahn GmbH des Bundes. Wüst soll nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Stefan Engstfeld (Grüne) Auskünfte über die Abläufe der Führungsebene geben und erläutern, welche Maßnahmen sein Ministerium an der A45 und insbesondere an der Talbrücke Rahmede ergriffen hatte, bevor die Zuständigkeit zum Bund wechselte.
Mängel waren seit vielen Jahren bekannt
Dass es Mängel an der Rahmede-Talbrücke gab, war schon über Jahre bekannt. Bereits 2014/15 war ein Neubau beschlossen worden, der aber nach SPD-Angaben nach dem Regierungswechsel zu CDU und FDP 2017 nach hinten gerutscht sei.
Wüst war schon 2023 im Verkehrsausschuss des Landtags befragt worden und hatte persönliche Versäumnisse aus seiner Amtszeit als Verkehrsminister verneint. Er hatte auch den Vorwurf zurückgewiesen, Einfluss auf die Entscheidungen genommen zu haben. Verantwortlich für die Beurteilung des Brückenzustandes seien Fachleute.
Millionen Aktenseiten und ein brisantes Protokoll
Insgesamt lägen dem U-Ausschuss «Brückendesaster» digital bisher 3,7 Millionen Aktenseiten vor, sagte Gordan Dudas, SPD-Obmann in dem Gremium. Das wäre in Papierform mehr als 7.000 Ordner. Es handele sich um die größte Ansammlung von Seiten, die je ein Untersuchungsausschuss in NRW erhalten habe. Es fehlten aber immer noch Tausende Seiten aus dem Landesverkehrsministerium aus der Zeit um 2017 sowie eine unbekannte Anzahl von Akten aus dem Bundesverkehrsministerium.
Erst im April dieses Jahres seien neue Akten des Bundesministeriums hinzugekommen, unter denen sich auch der jetzt bekanntgewordene Entwurf eines Protokolls der Autobahn GmbH von September 2021 befinde. Brisant ist, dass das Besprechungsprotokoll später entschärft und schließlich komplett eingestampft wurde. Der Verfasser habe seinen Protokollentwurf nach wochenlangem Streit zurückgezogen, sagte Dudas.
Dem Entwurf zufolge waren schon zwischen 2010 und 2014 – in der Amtszeit des damaligen SPD-Verkehrsministers Michael Groschek – bei statischen Berechnungen «enorme Defizite» bei der Rahmede-Brücke festgestellt worden. Aufgrund der Problematik müsse schnellstmöglich der Ersatzneubau erfolgen, heißt es in dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Protokoll. Eine Restnutzungsdauer für den Verkehr könne nicht festgelegt werden.
Aus internen Tabellen gehe zudem hervor, dass bereits im Mai 2021, also vier Monate vor der Besprechung der Autobahn GmbH, bei einer Ortsbegehung zahlreiche Mängel an der Brücke aufgeführt worden seien, so Dudas. «Hier steht der Verdacht in Raum, dass möglicherweise Leben riskiert worden ist.»
Wusste Wüst wirklich nichts?
Damals sei Wüst noch NRW-Verkehrsminister und Andreas Scheuer (CSU) Bundesverkehrsminister gewesen, sagte Dudas. «Haben die beiden Minister überhaupt nichts gewusst? Haben die Projektverantwortlichen tatsächlich alles für sich behalten? Wenn ich Minister wäre, und es gäbe eine so wichtige Brücke, die in einem mehr als besorgniserregenden Zustand ist, dann würde ich darüber informiert werden wollen.» Gesperrt wurde die Rahmede-Talbrücke erst Anfang Dezember 2021, als Brandes das NRW-Verkehrsressort leitete.
Das Bild zur Rahmede-Talbrücke sei «noch lange nicht komplett», sagte Dudas weiter. Er könne schon jetzt sagen: «Wüst, Brandes und Krischer kommen am kommenden Montag sehr wahrscheinlich nur das erste Mal.»