Düsseldorf (dpa/lnw) – Besonders nobel sieht das «Innovation Lab» der NRW-Polizei im Duisburger Innenhafen nicht aus. Der Landesrechnungshof wurde allerdings stutzig, als er einen sprunghaften Anstieg der Kosten für das Zukunftslabor der Polizei von geplant 250.000 Euro auf 4,66 Millionen feststellte. Es kam heraus, dass neben Videokonferenztechnik für rund 3,7 Millionen Euro auch eine Einbauküche für 35.000 Euro, eine Kaffeemaschine für 14.600 Euro und zwei Stühle für rund 6.000 Euro pro Stück beschafft worden waren.
Der Rechnungshof kritisiert die «völlig ausufernde Kostenentwicklung» jetzt scharf. Eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung mit Aussagen zum Bedarf und zur Angemessenheit der Kosten habe nicht vorgelegen. Die erste Erhöhung um 1,5 Millionen Euro sei sogar nur durch ein Telefonat zwischen dem Projektleiter und dem Innenministerium bewilligt worden. Es seien dazu «keine weiteren Dokumente zu finden», sagte Rechnungshofpräsidentin Brigitte Mandt bei der Vorlage ihres Jahresberichts in Düsseldorf.
Eine der Hauptattraktionen des «Innovation Lab» der Polizei ist ein Roboter-Hund, der Katastrophenorte oder Tatorte erkunden kann. Die Vorwürfe einer Kostenexplosion wies das Zukunftslabor zurück. Die Beschaffung von Küche und Mobiliar seien vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Es sei auch darauf geachtet worden, «dass die Möbel und Geräte sich nahtlos in die bestehende Infrastruktur des Innovation Labs integrierten».
Mandts Fazit: «In der Gesamtschau ist es so, dass wir die Argumente ausgetauscht haben, nicht zu den gleichen Bewertungen kommen, wir aber bei unserer Bewertung bleiben, dass es bitte so nicht geht.»
Süßes Gift der Schulden
Im Fokus der Prüfer steht vor allem der Haushalt der schwarz-grünen Landesregierung. Eindringlich warnte Mandt davor, infolge der Lockerung der Schuldenbremse beim Sparwillen nachzulassen. Der Schuldenstand in NRW sei zwar Ende 2024 erstmals seit 2019 wieder leicht um 1,7 Milliarden Euro gesunken. Er liege aber mit fast 163 Milliarden Euro immer noch auf einem sehr hohen Niveau.
«Wenn jetzt noch weitere Schulden aufgenommen werden, folgen daraus zusätzliche Haushaltsbelastungen durch Zinsausgaben, die auch künftige Generationen zahlen müssen», sagte Mandt. Die neue Verschuldungsmöglichkeit infolge der gelockerten Schuldenbremse kommt nach ihren Worten einer «giftigen Versuchung» gleich. In diesem Jahr sei bereits eine erneute Aufnahme konjunkturbedingter Kredite von rund 2,1 Milliarden Euro geplant.
Wie der Bund haben jetzt auch die Länder außerdem das Recht, jährlich zusammen Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufzunehmen – das wären dieses Jahr rund 15 Milliarden Euro. Davon stünde NRW eine Verschuldungsmöglichkeit von rund 3,2 Milliarden Euro für 2025 zu, so der Rechnungshof. Mandt wies darauf hin, dass allein die Milliarden aus der strukturellen Neuverschuldung für Zinsausgaben bei den bisherigen Schulden gebraucht würden. «Neue Schulden lösen nur scheinbar Probleme», sagte sie. «Sie schaffen eher neue.»
Ausgaben steigen
Künftig werde es noch deutlich schwieriger als bisher, den Haushalt auszugleichen, sagte Mandt. Nach der aktuellen Mai-Steuerschätzung müsse das Land für 2026 bis 2028 mit 6,2 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen als geplant rechnen. Zugleich sei absehbar, dass die Ausgaben besonders im Bereich Personal sowie für den Schuldendienst und durch die anteilige Übernahme kommunaler Altschulden durch das Land weiter steigen würden.
Nach Einschätzung des Rechnungshofs steht zudem die Finanzplanung von Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) bis 2028 «auf tönernen Füßen». So habe das Ministerium ab 2026 sogenannte globale Mehreinnahmen von jährlich mehr als 5,5 Milliarden Euro veranschlagt. Das sei eine Summe, wie sie der Landeshaushalt bisher nicht kenne und bei der sogar das Ministerium selbst noch Klärungsbedarf sehe. Bei globalen Mehreinnahmen sei im Haushaltsplan nämlich nicht festgelegt, wo und wie sie erwirtschaftet werden sollen.
Der Rechnungshof deckte in seinem Jahresbericht neben der Kostenexplosion beim «Innovation Lab» der Polizei weitere fragwürdige Ausgaben in anderen Bereichen auf.
Gefangenentransporte auf dem Prüfstand
Die Planung der Gefangenentransporte in NRW ist nach Einschätzung des Rechnungshofs weder koordiniert noch wirtschaftlich. Das Land mit 36 Justizvollzugsanstalten unterhalte neben einer Zentralstelle acht Transportbehörden. Die erforderlichen Daten seien nicht digitalisiert. Die Behörden wüssten bei der Planung nicht, wie viele Gefangene an den Transporttagen zu befördern seien und wo sie ein- und aussteigen. Es komme vor, dass ein Gefangener nicht zusteigen könne, weil der Spezialbus bereits voll sei, sagte Mandt. Das Justizministerium will jetzt das gesamte Gefangentransportwesen im Land überprüfen.
Neues Forschungsinstitut – koste es, was es wolle
Das Wissenschaftsministerium finanzierte den Aufbau eines neuen Forschungsinstituts von 2017 bis 2022 zunächst als Projekt und dann institutionell mit 12 Millionen Euro. Eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung gab es nicht. Das Institut erhielt stets sämtliche beantragten Mittel. Erfolgskontrollen habe es nicht gegeben, so der Rechnungshof. Das Institut habe zudem per Dienstanweisung den Höchstbetrag für den Direktkauf unter anderem von Cateringleistungen auf das Zehnfache angehoben – nämlich auf 50.000 Euro.
Das Ministerium erwiderte, dass die Förderung in besonderem Maße im Interesse des Landes gestanden habe. Beim Bedarf an Mitteln habe man sich auf ein Konzept unabhängiger Gutachter von 2018 verlassen. Diese hätten die Angemessenheit der Finanzierung bestätigt. Außerdem habe es Erfolgskontrollen in regelmäßigen Sachstandsgesprächen und Quartalsberichten gegeben.
Ausgaben für Corona-Impfzentren
Die Länder haben während der Corona-Krise Impfzentren aufgebaut, um die Bevölkerung mit Impfstoffen zu versorgen. NRW zahlte dabei bundesweit die höchsten Stundensätze für die dort tätigen Ärzte, ohne dass die Herleitung dieser Sätze nachvollziehbar dokumentiert wurde. Das Gesundheitsministerium argumentierte, die Impfzentren hätten in kürzester Zeit aufgebaut werden müssen. Die Höhe der Vergütung hätte so bemessen werden müssen, dass sich genug Ärzte und Ärztinnen für eine Tätigkeit bereit erklärten.
Spitzencluster «It’s OWL»
Cluster vernetzen Unternehmen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und weitere Akteure einer Region. Bei der Förderung des ostwestfälischen Spitzenclusters «It’s OWL» hat das zuständige Wirtschaftsministerium 2018 bis 2023 rund 43,4 Millionen Euro eingesetzt – ohne die Wirtschaftlichkeit ausreichend zu untersuchen und messbare Ziele festzulegen, moniert der Rechnungshof. Da auch der Bedarf nicht ermittelt wurde, sei nicht einmal klar gewesen, ob eine Landesförderung überhaupt erforderlich war. Das Ministerium räumte Defizite bei der Wirtschaftlichkeitsanalyse ein.