Detmold (dpa) – Den Hermann auf den Höhen des Teutoburger Waldes besuchen im Jahr über 500.000 Menschen. Damit zählt das mächtige Standbild des Cheruskerfürsten Arminius (Hermann), der die Römer im Jahr 9 nach Christus besiegte, zu den meistbesuchten Denkmälern seiner Art in Deutschland. Jetzt steht eine große Geburtstagsfeier an. Am 16. August vor 150 Jahren wurde das Hermannsdenkmal eröffnet. Der Landesverband Lippe lädt jetzt zu einem großen Festtag ein.
Cornelia Müller-Hisje ist Gästeführerin und weiß alles über den Hermann, das Nationaldenkmal der Deutschen. Mit einem Augenzwinkern wischt sie die Möglichkeit vom Tisch, dass die Varusschlacht nicht im Teutoburger Wald, sondern vermutlich nach Überzeugung von Historikern und Archäologen in Kalkriese im heutigen Niedersachsen stattgefunden hat.
1. Die Geschichte hinter dem Hermann:
Der Bildhauer und Architekt Ernst von Bandel (1800-1876) hat sein ganzes Leben der Idee gewidmet, ein Nationalsymbol zu schaffen. Erste Skizzen für ein Denkmal gibt es aus dem Jahr 1819 aus der Zeit der Befreiungskriege im Kampf gegen Napoleon. Monumente wie das Hermannsdenkmal waren Ausdruck eines erstarkenden nationalen Selbstbewusstseins. Es gab aber noch lange keinen deutschen Staat oder eine deutsche Nation. Von Bandel wollte die Vereinigung der damaligen Kleinstaaten befördern. Er opferte sein gesamtes Privatvermögen für die Umsetzung. Mit dem Hermann schuf er eine Verbindung zwischen der Vertreibung Napoleons und den Römern. «Deutschland brauchte einen Gründungsmythos. Und mit Arminius, der die Germanenstämme geeint hat, passte das», sagte die Gästeführerin über das Nationaldenkmal.
2. Fantasiegestalt
Der Hermann, der auf dem Gelände einer Altgermanischen Wallburg gebaut wurde, ist eine Fantasiegestalt aus dem 19. Jahrhundert. Von Bandel orientierte sich an Soldaten zu Pferd. «Der Hermann hat extrem dicke, sehr stämmige Beine. Er war ja Kavallerist, das passt. Das Gesicht ähnelt sehr dem Sohn des Erbauers. Offenbar hatte er in seinem Sohn Roderich ein Modell für das Gesicht des Hermanns gefunden und wollte ihm so für seine Unterstützung danken», erklärt Gästeführerin Cornelia Müller-Hisje.
3. Wo war die Varusschlacht?
«Das interessiert die Menschen in Lippe überhaupt nicht. Wir müsssen nix beweisen. Und es ist wunderbar, dass es immer neue Funde zu der Frage gibt. Es ist einfach eine spannende Geschichte und so viele Fragen noch offen», sagt Müller-Hisje. Warum gibt es in Lippe keine Funde zur Schlacht? Auch dafür hat die Gästeführerin eine Erklärung: «Die Lipper haben das Schlachtfeld ordentlich aufgeräumt. Unsere Händler haben dann alles verkauft und in Kalkriese sind die Sachen dann wieder aufgetaucht.»
4. Wie groß ist das Denkmal?
Der seit 1985 in die Denkmalschutzliste eingetragene Hermann hat eine Gesamthöhe von 53,46 Metern, das Schwert ist 7 Meter lang, das Schild 10 Meter, das Standbild ist bis zur Schwertspitze 26,57 Meter lang und der Unterbau misst 26,89 Meter.
5. Wie schwer ist er denn?
Das Schwert des Hermann wiegt 550 Kilogramm, das Schild sogar 1.150 Kilogramm. Das Standbild selbst ist 42.800 Kilogramm schwer.
6. Konstruktion / Reinigung
Das Denkmal, für das der Grundstein 1838 gelegt und das 37 Jahre später vollendet wurde, ist extrem wetterfest. Roderich, der Sohn des Erbauers, hatte die Idee, eine Röhrenkonstruktion zu fertigen. Die ist tief im Sockel verankert. Von Bandel hat das ganze dann dem Ingenieurverein in Hannover zur Prüfung vorgelegt. Der Hermann mit vernieteten Kupferplatten kann so eine extrem hohe Windlast tragen. Alle paar Jahre muss das Denkmal aufwendig gereinigt werden. Einmal hat sich bei Sturm eine Locke gelockert. «Der nächste Sturm hat sie dann wieder festgezurrt», erzählt die Gästeführerin.
7. Mythos Kindersturz
Die Menschen in Lippe erzählen ihren Kindern, dass man bis ganz oben in den Hermann klettern kann und dort gibt es Kaffee und Kuchen. Und da sei mal ein Kind durch das Nasenloch nach unten gefallen. Seither sei das verboten. Theoretisch geht es bis hoch in den Kopf bis zur Nase, weiß Müller-Hisje. «Aber die Geschichte ist natürlich Quatsch. Weil das Nasenloch so klein ist. Es heißt zum Spaß, oben im Hermann nur Kännchen», erzählt die Gästeführerin. Auf der Galerie haben die Besucher eine schöne Aussicht. Aber die Nasenlöcher zeigen nach unten, da ist die Aussicht schlecht.
8. Hermann im Fußballtrikot
Nach dem Einzug von Arminia Bielefeld ins Fußball-Pokalfinale in Berlin gegen den VfB Stuttgart und dem Aufstieg in die 2. Fußball-Bundesliga trug der Hermann ein Trikot des Zweitliga-Aufsteigers. Eingekleidet hatte ihn der Hauptsponsor der Profi-Fußballer. Das etwa 130 Quadratmeter große Trikot hing rund 13 Tage auf Hermanns Schultern.
9. Hütte
Bis 2021 stand die sogenannte Bandelhütte noch im Schatten des Denkmals. Ein Feuer zerstörte das Gebäude mit besonderem kulturhistorischem Wert für Lippe. Von Bandel hatte in der Originalhütte gearbeitet und gelebt.
10. Besucherzentrum
2024 weihte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) ein neues Besucherzentrum im Schatten des Denkmals ein. Es trägt den Namen Hermanneum. Die Besucher können mit Hilfe von digitalen Anwendungen und eines Breitwand-Kinos in die Geschichte des Denkmals eintauchen.
11. Schwert im Zweiten Weltkrieg beschädigt
Engländer und Amerikaner haben den Hermann im Zweiten Weltkrieg beschossen. Anschließend musste das Schwert mit großem Aufwand geborgen werden. Die Arbeiter sind durch eine Klappe am Hinterkopf der Figur hinausgestiegen und haben dann das Schwert abmontiert und heruntergelassen.
12. Bau ohne Tote
Beim Bau des Denkmals ist niemand zu Tode gekommen. Grund: Ernst von Bandel hatte Alkohol auf der Baustelle verboten.
13. Der kleine Bruder
Der kleine Bruder des Hermannsdenkmals steht in Minnesota in den USA. Auswanderer haben das Hermann Heights Monument 1897 eingeweiht. Es ist mit 31 Metern deutlich kleiner.
13. Instrumentalisierung
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Denkmal nur hier in der Region instrumentalisiert, weiß die Gästeführerin. «Es war kein Sinnbild für die Nazis. Hitler hat sich immer über die Germanenphantasien von Himmler lustig gemacht. Für Hitler war Hermann kein Vorbild. Er habe gegenüber den Römern einen Eid gebrochen, könne kein Vorbild sein», zitiert Müller-Hisje aus historischen Quellen. «Aus seinen Siegen ist keine Nation hervorgegangen und Fellkleidung mit Helm mit Hörnern auf dem Kopf passte für Hitler nicht in das Bild der Vorfahren seines Volkes.»
14. Wohin zeigt der Hermann?
Es heißt immer, Hermann droht mit dem Schwert in Richtung Frankreich. Das sei Quatsch. «Das Schwert zeigt wohl in Richtung der Lippe, worüber die Römer dann über Haltern in Richtung heutiges Xanten am Rhein geflohen sind. Hermann schaut also den fliehenden Römern hinterher. Das Denkmal zeigt ihn im Moment des Sieges», sagt die Gästeführerin. Die Franzosen hatten anfangs laut ihrer Einschätzung kein Problem mit dem Hermann. «Der Mythos um Arminius war in Frankreich sogar stärker als in Deutschland. Mit dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 war das aber vorbei.»
15. Pinkwarts falsche Einschätzung
Der frühere Wissenschaftsminister und stellvertretende NRW-Ministerpräsident Andreas Pinkwart (FDP) hat bei einem Besuch auch behauptet, dass Hermann in Richtung Frankreich schaue. «Ich habe ihm gesagt, das Denkmal schaue wohl eher in Richtung Düsseldorf. Als Warnung! Wir haben hier schon ganz andere in den Sümpfen versenkt!» Lippe ist der dritte und kleinste Landesteil in NRW. Die Lipper waren immer schon stolz auf ihre Unabhängigkeit.