Düsseldorf (dpa/lnw) – Nach dem spektakulären Fall einer seit rund 16 Jahren krankgeschriebenen und regulär weiter besoldeten Lehrerin haben die Bezirksregierungen in Nordrhein-Westfalen keine weiteren vergleichbaren Vorgänge gefunden. «Es scheint sich um ein gravierendes Fehlverhalten im Einzelfall zu handeln», heißt es in einem Bericht von Schulministerin Dorothee Feller an den Fachausschuss des Landtags.
Dort stand die CDU-Politikerin den Fraktionen Rede und Antwort und betonte: «Dieser konkrete Fall ist keineswegs ein Spiegelbild unserer Lehrerschaft und auch nicht unserer Verwaltungsbeamtinnen und -beamten.» Mehr als 200.000 Lehrkräfte in NRW setzten sich täglich mit hohem Engagement für ihre Schüler ein.
Die Lehrerin aus dem Ruhrgebiet hat seit 2009 keinen Dienst mehr geleistet und immer wieder Atteste vorgelegt, ohne dass je eine amtsärztliche Untersuchung angeordnet worden war. Das passierte erst, nachdem Anfang dieses Jahres erstmals jemand Anderes bei der Bezirksregierung Düsseldorf nach Pensionierung der zuvor zuständigen Person den Fall übernommen hatte. Gegen die Anweisung zur amtsärztlichen Untersuchung hatte die Lehrerin daraufhin in zwei Instanzen erfolglos geklagt und damit selbst den Scheinwerfer auf ihren Fall gelenkt.
Schulministerin nimmt kein Blatt vor den Mund
Feller sparte nicht mit unmissverständlicher Kritik an der Bezirksregierung, vor allem aber an der Lehrerin. Auf die unverblümte Frage der FDP-Abgeordneten Franziska Müller-Rech, ob jemals eine Rückkehr der Dauerkranken in ein Klassenzimmer drohen könnte, antwortete die Ministerin, zwar wolle sie dem Disziplinarverfahren, das gegen die Frau eingeleitet worden sei, nicht vorgreifen.
Es sei aber festzustellen, dass die Beamtin etwa bei der Aufklärung der Frage, ob sie eine unerlaubte Nebentätigkeit ausgeübt habe, nicht mit den Behörden kooperiere: «Das könnte man schnell ausräumen, indem die Lehrkraft anruft und sagt: “Nein, habe ich nicht oder habe ich doch”.»
Feller: «Ich habe da keine Worte für»
Die Frau arbeite jedoch nicht mit. «Das ist so unkollegial, dieses Verhalten und so gegen jede Loyalität, auch gegenüber dem Staat und der Beamtenpflicht – ich habe da keine Worte für. Punkt.», schimpfte die oberste Dienstherrin aller Lehrkräfte in NRW.
Der Vorfall sei «nicht zu entschuldigen und in seiner Dimension auch nicht nachvollziehbar», hält Feller in ihrem Bericht fest. «Das betrifft sowohl das Verhalten der Lehrkraft als auch die Bearbeitung des Vorgangs in der Bezirksregierung Düsseldorf.»
Regierungspräsident Thomas Schürmann räumte im Ausschuss mehrere «eklatante Fehler» ein. Zum einen sei es völlig unüblich, dass trotz des geltenden Rotationsprinzips in den Bezirksregierungen über 15 Jahre lang dieselbe Person in der Sachbearbeitung an einem Fall arbeite und dass über einen so langen Zeitraum keine amtsärztliche Untersuchung angeordnet worden sei.
Wink der Schulleitung ignoriert
«Es gab auch diverse Hinweise der Schulleitung», berichtete Schürmann. «Auch das hat nicht dazu geführt, dass die notwendigen Schritte veranlasst worden sind.»
Ab 2017 sei die Lehrkraft dann auch noch – gegen alle inhaltlichen und formellen Vorgaben – auf ein sogenanntes Schulaufsichtskonto umgebucht worden, so dass sie ab dem Zeitpunkt überhaupt nicht mehr ihrer Weseler Schule zugeordnet worden sei. Hier seien nun die Kontrollmechanismen verstärkt und gegen die damals zuständige Verwaltungsfachkraft ebenfalls ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden.
Die FDP-Abgeordnete Müller-Rech sprach von einem erschütternden Fall von Veruntreuung von Steuergeldern. Empörend sei der Vorgang vor allem für alle rechtschaffenen Lehrkräfte. «Diese Lehrerin sollte nie wieder vor einer Klasse stehen mit so einer Haltung», sagte die Freidemokratin.
SPD findet Krankheitsstatistik alarmierend
Die SPD-Abgeordnete Dilek Engin forderte vom Schulministerium einen vertieften Blick auf die Krankenstatistiken. Nach Angaben des Ministeriums waren im vergangenen Jahr 9.848 von insgesamt mehr als 224.000 Lehrkräften länger als 30 Tage krank. Engin nannte die Zahlen einen Hilfeschrei: «Die Lehrkräfte brauchen Entlastung.»
Auch der Landesvorsitzende des Lehrerverbands Bildung und Erziehung, Stefan Behlau, betonte, die verständlich emotional geführte Debatte dürfe nicht auf Kosten derjenigen gehen, die aufgrund schwerer Erkrankungen dauerhaft oder über längere Zeit ausfielen. «Kranke Menschen dürfen nicht unter Generalverdacht gestellt werden, sie haben Anspruch auf faire Verfahren, Transparenz und Schutz ihrer Privatsphäre und vor allem auf eine nachhaltige Gesundung.» Langfristige Krankschreibungen seien Ausnahmefälle.