Ratingen | Mit einem offenen Brief an den neu gewählten Bürgermeister Patrick Anders hat der Klimabeirat der Stadt Ratingen für Aufmerksamkeit – und teils auch für Irritation – gesorgt. In dem Schreiben appelliert der Beirat an Politik und Verwaltung, Klimaschutz und Klimaanpassung stärker als zentrale Aufgaben der neuen Amtsperiode zu verankern.
Der Zeitpunkt war bewusst gewählt: Der Brief wurde im Rahmen der öffentlichen Sitzung am 8. Oktober vorgestellt – wenige Tage nach dem Wechsel an der Rathausspitze und kurz nach den Ratinger Tagen der Nachhaltigkeit. Vorsitzender Ulrich Otte begründete das Schreiben mit einer zunehmenden Besorgnis innerhalb des Gremiums. „Die jüngsten Daten zum Klimawandel zeigen, dass uns die Zeit davonläuft. Wir dürfen uns keine weiteren Versäumnisse leisten – auch nicht auf kommunaler Ebene“, erklärte er.
Appell an Politik und Verwaltung
Im offenen Brief verweist der Klimabeirat auf aktuelle Erkenntnisse des Extremwetterkongresses in Hamburg, bei dem Fachgesellschaften die Beschleunigung der Erderwärmung betont hatten. Daraus leitet der Beirat die Forderung ab, klimapolitische Entscheidungen konsequent in allen Bereichen kommunaler Planung zu berücksichtigen.
Besonderes Gewicht legt das Schreiben auf die Erwartung, dass das neue Klimaschutz- und Klimaanpassungskonzept der Verwaltung zügig in den Rat eingebracht und mit klaren Zielvorgaben umgesetzt wird. Außerdem mahnt der Beirat eine bessere Vorbereitung der Stadtgesellschaft auf heiße Sommerperioden und Extremwetterlagen an – insbesondere zum Schutz vulnerabler Bevölkerungsgruppen.
Kritik am geplanten Ausschusszuschnitt
Deutlich formuliert ist im Brief die Kritik an Überlegungen, den bisherigen Umwelt- und Klimaausschuss (UKKNA) in den Ausschuss für Planung, Bauen und Mobilität zu integrieren.
Eine solche Strukturreform, so der Brief, könne „die notwendige Sichtbarkeit und Eigenständigkeit der Klimathemen gefährden“.
Gerade dieser Punkt führte in der Sitzung zu einer lebhaften Diskussion. Mehrere Mitglieder und Gäste kritisierten, dass der Vorsitzende Otte den Inhalt des Briefes nicht vorab im Gremium abgestimmt habe.
Der Vertreter der Bürger-Union, Edgar Mählmann, betonte, eine Zusammenlegung von Ausschüssen sei bisher kein offizielles Thema im Rat. Zwar könne eine effizientere Organisation grundsätzlich sinnvoll sein, konkrete Anträge oder Beschlüsse dazu gebe es aber nicht.
Auch CDU-Fraktionsvorsitzender Stefan Heins, der an der Sitzung teilnahm, zeigte Verständnis für den Appell des Klimabeirates, warnte jedoch vor einer Überinterpretation.
„Bürgermeister Anders wird sehr wohl Umwelt- und Klimaschutz im Blick haben“, sagte Heins. „Er wurde in der Vergangenheit nur stark auf seine bisherigen Aufgaben als Erster Beigeordneter reduziert. In persönlichen Gesprächen hat er mehrfach bekräftigt, dass Klimathemen ein zentraler Bestandteil seiner künftigen Arbeit sein werden.“
Zwischen Mahnung und Missverständnis
Otte verteidigte die Passage im Schreiben mit dem Hinweis, dass Klimafragen in einem großen Sammelausschuss Gefahr liefen, unterzugehen.
Heins widersprach: Durch neue gesetzliche Vorgaben seien klimarelevante Kriterien ohnehin in allen Planungsprozessen verankert, unabhängig vom Ausschusszuschnitt. „Wichtig ist, dass Entscheidungen umgesetzt werden – nicht, in welchem Gremium sie diskutiert werden“, sagte der CDU-Politiker.
Spannung im Beirat
Zum Abschluss meldete sich Ehrenvorsitzende Edith Feltgen zu Wort. Sie erinnerte daran, dass der Klimabeirat einst gegründet worden sei, um „ein Ort des fachlichen Austauschs und der überparteilichen Zusammenarbeit“ zu sein.
„Heute“, sagte sie, „habe ich manchmal das Gefühl, das ist nicht das was seinerzeit von mir und meinen beiden Mitstreiterinnen gewollt wurde.“
So endete die Sitzung mit einem mahnenden, aber auch selbstkritischen Unterton:
Der Klimabeirat will sich künftig stärker in politische Entscheidungsprozesse einbringen – ohne sich vereinnahmen zu lassen. Der offene Brief an Bürgermeister Anders war dafür ein deutlicher Auftakt.
Wortlaut des Briefes :
Offener Brief des Klimabeirates der Stadt Ratingen an den neu gewählten Bürgermeister Patrick Anders
Verlesen und beschlossen in der Sitzung des Klimabeirates am 8. Oktober 2025
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Anders,
der Termin unserer heutigen öffentlichen Sitzung fällt rein zufällig in die Zeit des Wechsels von altem zu neuem Bürgermeister und Rat der Stadt Ratingen.
Zudem sind vor einer Woche die Ratinger Tage der Nachhaltigkeit zu Ende gegangen, bei denen viele engagierte Bürgerinnen und Bürger daran gearbeitet haben, unsere Stadt nachhaltiger zu gestalten – Klimaschutz eingeschlossen.
Vor zwei Wochen fand in Hamburg der Extremwetterkongress statt. Dort haben die Deutsche Meteorologische Gesellschaft und die Deutsche Physikalische Gesellschaft festgestellt, dass sich der Klimawandel weiter beschleunigt – europäische Daten belegen das deutlich. Beide Fachgesellschaften betonten, dass es keine weiteren Versäumnisse bei Klimaschutz und Klimaanpassung geben dürfe.
Diese Mahnung richtet sich an uns alle – und damit selbstverständlich auch an die neuen Entscheiderinnen und Entscheider in unserer Stadt.
Klimaschutz als Querschnittsaufgabe
Ob allerdings Klimaschutz und Klimaanpassung tatsächlich als zentrale Gegenwarts- und Zukunftsaufgaben in Ratingen überall angekommen sind, darüber ist sich der Klimabeirat nicht sicher.
In den bisher öffentlich zugänglichen Verlautbarungen der künftigen Verantwortlichen dominieren meist andere Themen, Vorhaben und Visionen für die kommenden Jahrzehnte.
Klimaschutz wird – wenn überhaupt – eher am Rande erwähnt. (Siehe Rheinische Post, Ausgabe Ratingen vom 6. Oktober.)
Der Klimabeirat erinnert daran, dass Klimaschutz eine Aufgabe im Hier und Jetzt ist.
Besorgt zeigen sich die Mitglieder insbesondere über Überlegungen aus der Politik, den bisherigen Umwelt- und Klimaausschuss aufzulösen und seine Themen in den Ausschuss für Planung, Bauen und Mobilität zu integrieren.
Nach Überzeugung des Klimabeirates wäre das ein Schritt in die falsche Richtung, da die Bedeutung des Klimaschutzes dadurch verwässert würde.
Erwartungen an die neue Amtszeit
„Wir haben wirklich sehr viel vor uns“ – eine Aussage des neuen Bürgermeisters, der man gewiss allgemein zustimmen kann.
Nach fester Überzeugung des Klimabeirates gehören Klimaschutz und Klimaanpassung aber unbedingt dazu.
Die geeigneten Instrumente dafür liegen bereits vor: Das von der Fachverwaltung erarbeitete neue Klimaschutz- und Klimaanpassungskonzept wurde fertiggestellt, aber bislang noch nicht dem Rat der Stadt vorgelegt.
Der Klimabeirat erwartet daher von Bürgermeister, Rat und Stadtverwaltung:
- künftige Planungen und Maßnahmen stets auch unter dem Aspekt des Klimaschutzes durchzuführen,
- die Stadtgesellschaft – insbesondere ihre vulnerablen Gruppen – auf heißere Zeiten vorzubereiten,
- und alle entsprechenden Strategien und Initiativen transparent zu kommunizieren.
Mit freundlichen Grüßen
Für den Klimabeirat der Stadt Ratingen
Ulrich Otte
Vorsitzender