
Ratingen. Dokumente zeichnen ein Bild aus einer anderen Sponsoring-Ära: 1988 bot der Ratinger BMW-Händler Harry Scheller dem städtischen Spielmobil mehrere Bobbycars mit Händlerlogo als Sachspende an. Die Verwaltung lehnte ab – aus „grundsätzlichen Erwägungen“ gegen gewerbliche Werbung.
Im Schreiben des Kinderzentrums an Stadtdirektor Dr. Horst Blechschmidt vom 10. März 1988 heißt es, mehrere Ratinger Unternehmen – „z. B. BMW-Händler Harry Scheller“ – wollten dem Spielmobil Sachspenden („Spielgeräte“) zu werblichen Zwecken zukommen lassen. Der Vermerk auf dem Blatt: „abgelehnt“. Ein Auszug aus der Niederschrift der 17. Verwaltungskonferenz vom 13. April 1988 hält fest: „Eine Nutzung des Spielmobils zu Zwecken gewerblicher Werbung wird aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt.“ Unterzeichnet: Der Stadtdirektor, gez. Dr. Blechschmidt.
Zeitzeuge Michael Baaske, damals beim städtischen Spielmobil tätig, berichtet, Scheller habe die Aktion danach abgeblasen – nicht ohne den augenzwinkernden Hinweis, die Verwaltung werde künftig auf Sponsoren angewiesen sein. Baaske stellte der Redaktion zudem ein Stück Autohaus-Geschichte zur Verfügung: einen Gutschein vom 29. November 1980 auf Briefkopf „Harry Scheller GmbH + Co. KG – Offizieller BMW-M1-Stützpunkt“ für eine Probefahrt im BMW M1; Scheller holte ihn dafür persönlich ab und drehte mit ihm eine Runde über A3 und A52.
Autohaus Scheller ist heute Geschichte. Das Haus war jahrzehntelang Vertragspartner der BMW AG in Ratingen (u. a. Postanschrift Boschstraße 3, damalige PLZ 4082) und richtete in den 1990er-Jahren Veranstaltungen auf dem Firmengelände aus – etwa zur Vorstellung des BMW Z3, bei denen das Spielmobil gegen Honorar im Einsatz war.
Dr. Horst Blechschmidt, seinerzeit Stadtdirektor, steht mit der Entscheidung exemplarisch für eine frühere Verwaltungshaltung: keine Werbung an städtischen Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit. Heute ist Sponsoring in Kommunen üblich – allerdings gebunden an klare Regeln zu Transparenz und zur Vermeidung von Einflussnahme.
Was die abgelehnten Bobbycars über Sponsoring in Ratingen erzählen – ein Kommentar
Der Fall ist 36 Jahre her und wirkt doch erstaunlich aktuell: 1988 bot der Ratinger BMW‑Händler Harry Scheller dem städtischen Spielmobil Bobbycars mit Händlerlogo an. Die Verwaltung lehnte ab – „aus grundsätzlichen Erwägungen“ gegen gewerbliche Werbung. Unterzeichnet hat Stadtdirektor Dr. Horst Blechschmidt. Die Unterlagen von damals (Schreiben vom 10. März 1988 und Protokoll der Verwaltungskonferenz vom 13. April 1988) zeigen: Trennung von Wirtschaft und öffentlicher Hand wurde bereits praktiziert, lange bevor heutige „Compliance“-Vokabeln in Mode kamen.
Karneval als Gegenbeispiel: Nähe, die nützt
Gleichzeitig belegen die Ratinger Karnevals‑Jahre: Wo Kooperation gelenkt wird, kann sie Bürgernutzen stiften. Autohäuser und Händler prägten nicht nur das Stadtbild, sie tauchten auch im Karneval auf – als Prinzen, Sponsoren oder Gastgeber, die Wagen, Technik oder Logistik möglich machten. Das war sichtbar, zeitlich begrenzt und für alle – ein öffentlicher Mehrwert, keine versteckte Einflussnahme auf Verwaltungsentscheidungen. Genau diese offene, zweckgebundene Unterstützung unterscheidet sich von Werbung auf städtischen Angeboten für Kinder.
Damals wie heute: Sponsoring ist kein Selbstzweck der Verwaltung
Sponsoring war damals kein Thema im Sinne einer Verwaltungsaufgabe – und ist es auch heute nicht. Die Stadt betreibt keine Sponsorenakquise wie ein Verein. Wohl aber entscheidet sie über Annahme und Rahmen: wo Logos zulässig sind, wo Neutralität Vorrang hat (z. B. bei Angeboten der Kinder‑ und Jugendarbeit) und wie Transparenz hergestellt wird. Der Bobbycar‑Beschluss markiert diese Linie deutlich: Keine Werbung auf einem städtischen Spielangebot.
Wandel ohne Naivität: Vom „Klüngel“ zur Interessenorientierung
Oft heißt es, früher habe der „Klüngel“ entschieden. Tatsächlich entstand vieles im direkten Gespräch – schnell, pragmatisch, bisweilen intransparent. Heute sind Abläufe formaler und prüfbarer. Das ist gut. Gleichzeitig richten sich Politik und Verwaltung sichtbarer an wirtschaftlichen Interessen aus – bei Flächenfragen, Verkehr, Standortförderung. Das ist legitim, solange öffentliche Ziele vorne stehen: Versorgung, Teilhabe, Lebensqualität, solide Finanzen.
Was daraus folgt
- Transparenz: Jede Zuwendung wird offengelegt – Betrag, Zweck, Gegenleistung.
- Rote Linien: Keine Werbung dort, wo staatliche Neutralität Kern der Leistung ist (Kita, Schule, Spielmobil).
- Gelenkte Kooperation: Im Karneval, bei Sport‑ oder Kulturfesten sind zeitgebundene, öffentliche Unterstützungen erwünscht – mit klaren Spielregeln.
- Primat des Gemeinwohls: Wirtschaftsförderung ja, aber an Bürgernutzen und Stadtzielen gemessen – nicht umgekehrt.
Die Bobbycars von 1988 erinnern daran, dass saubere Trennung Vertrauen schafft. Gelenkte Nähe – wie sie unter anderem der Karneval vorlebt – kann dieses Vertrauen in sichtbaren Nutzen für die Stadt übersetzen. Beides zusammen ist zeitgemäße Compliance: klar, offen, bürgerorientiert.