
Ratingen | Die aktuelle Pressemitteilung vom 4. November 2025 zu der geplanten Reaktivierung der Westbahn zeigt deutlich: Das Projekt ist da, die Planung läuft – aber der Auftrag zur Realisierung ist weiterhin in weiter Ferne. Der Verkehrsverbund Rhein‑Ruhr (VRR) bestätigt, dass die Leistungsphasen 1 und Teile von 2 , also Grundlagenermittlung und Vorplanung, kurz vor der Beauftragung stehen. Doch mit Baukosten von rund 440 Mio. Euro, fast eine Vervierfachung der ursprünglichen Annahmen – und dem Umstand, dass das Sondervermögen nicht für Reaktivierungen vorgesehen ist, sondern nur für Neubauten, ergibt sich ein düsteres Bild: Im Hier und Heute ist die Westbahn kein planbares Mobilitätsinstrument. Auch die beste Umsetztungsstudie kann nicht verhelen, woran das Projekt letztlich scheitern wird. Die Kosten werden mit der Zeit nicht geringer und der Bedarf wird letztendlich durch Verlagerung jetzt noch vorhandener Infrastruktur an besser angebundene Standorte geringer. Wenn die Region erst ohne Arbeitgeber und ohne Arbeitnehmer sein wird, benötigt man auch keine Netzanbindung mehr.
Die Botschaft lautet: Was einmal weg ist bekommt man nicht so einfach zurück. Das gilt ebenso für die Bahntrasse als auch für die Menschen in ihrem Einzugsgebiet.
Geschichtlicher Rückblick – damit wir wissen, was verloren ging
Bereits 1874 eröffnete die Strecke: Am 19. November 1874 nahm die Güterstrecke der früheren Rheinische Eisenbahngesellschaft bei Ratingen-West ihren Dienst auf. Der Personenverkehr folgte im Februar 1876.
Der Bahnhof Ratingen West war damals zwischenbahnlich organisiert, hatte Empfangsgebäude mit Fachwerk und Güterschuppen. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Bahnhofsgebäude am 22. März 1945 vollständig zerstört. Es wurde nie original wieder aufgebaut, nach Kriegsende entstand nur ein Provisorium, das 1978 abgerissen wurde.
Für die Region war die Strecke von großer Bedeutung: Die Strecke, heute als Ratinger Weststrecke bezeichnet – verband Düsseldorf und Duisburg und war bis 1983 auch im Personenverkehr aktiv; danach wurde sie auf reine Güternutzung zurückgedrängt.
Doch mit der Einstellung des Personenverkehrs verlor nicht nur der Bahnhof, sondern die Stadt auch ein Stück Teilhabe am Mobilitätsnetz. Für die Stadtteile wie Ratingen‑West, Lintorf und Tiefenbroich bedeutete es eine Schwächung der direkten Anbindung, mit Folgen für Pendler, Lebensqualität und Attraktivität. An die Hoffnung auf eine baldige Ankopplung entwickelte Gewerbe- und Industriegebiete haben bereits, durch den nicht mehr von Hoffnung getragenen Pioniergedanken, jetzt den Charme von Geisterstätten.
Der aktuelle Stand und woran es scheitert
Konkrete Hürden:
- Die Kosten sind auf etwa 440 Mio. Euro angestiegen – deutlich höher als ursprünglich gedacht.
- Die Planungszeit allein für die Vorplanungsphasen liegt über 40 Monate – Zeit, die Geld kostet und die Dringlichkeit erhöht.
- Das Sondervermögen, mit dem Infrastruktur gefördert wird, ist nicht für Reaktivierungen vorgesehen – sondern für Neubauten.
- Und: Selbst wenn alle Planungen abgeschlossen wären, liegt der Baubeginn in einem sehr langfristigen Zeitkorridor, nicht innerhalb der nächsten Planungsdekade.
Die für die Strecke vorgeschlagene Variante mit zusätzlichem dritten Gleis in Ratingen ist zwingend, weil der Güterverkehr die Strecke nutzt – einfache Maßnahmen wie eine Stunde Taktbetrieb sind nicht realistisch. Laut VRR-Projektseite wurde eine Machbarkeitsstudie mit positiven Ergebnis vorgelegt.
Gleichzeitig spricht die Stadtentwicklung von einem „schlummernden Potenzial“, etwa wenn neue Wohn- und Gewerbegebiete besser angebunden würden. Ohne konkrete Umsetzung bleibt die Strecke ein Projekt und verliert mit der Zeit immer weiter an Substanz.
Ein Slogan wie „Was einmal weg ist, bekommt man nicht schnell zurück“ klingt hart – aber er trifft genau den Kern:
- Infrastruktur braucht Zeit. Wenn Planung jahrelang dauert, Kosten steigen und Förderung unsicher ist, entsteht ein Zeitverlust, der durch nichts wettzumachen ist.
- Je länger eine bestehende Infrastruktur wie der Personenverkehr wegbleibt, desto mehr steigen die Kosten für Wiederaufbau oder Reaktivierung – und desto schwieriger wird der späte Einstieg.
- In einer Region wie Ratingen-West, die auf gute Anbindung angewiesen ist – für Pendler, für Wohnqualität, für wirtschaftliche Attraktivität – bedeutet das: Wenn wir heute nicht handeln, kalkulieren wir mit einem Nachteil.
- Es geht nicht nur um eigene Bequemlichkeit, sondern um regionale Wettbewerbsfähigkeit. Wenn Wohngebiete und Gewerbeflächen nicht leistungsfähig angebunden sind, wandert Entwicklung ab. Der Bahnhof oder die Strecke stehen symbolisch dafür.
Der Bahnhof Ratingen West und die westliche Trasse erinnern uns daran: Infrastruktur ist keine Selbstverständlichkeit. Wenn sie wegfällt – sei es durch Umsteuerung, finanzielle Hemmnisse oder fehlende Nutzung – ist der Weg zurück steil. Für die Region Ratingen, die noch über diese Kupplung zur Schiene verfügt, ist die Stunde günstig, aber vielleicht nicht lange. Wenn wir jetzt nicht handeln, könnte eines Tages die bittere Bilanz lauten: Wir hatten die Chance – und haben sie verstreichen lassen.
Es ist an der Zeit, nicht nur zu planen, sondern umzusetzen.
