Ratingen. Am heutigen Sonntag versammelte sich die Stadtgesellschaft von Ratingen zu einer würdevollen Feierstunde auf dem katholischen Ehrenfriedhof am dortigen Mahnmal – im Rahmen des Volkstrauertages, dem staatlichen Gedenktag für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Der Volkstrauertag wurde eingeführt, um allen Opfern von Krieg, Gewalt und Unterdrückung zu gedenken – nicht nur der Soldaten, sondern auch der Zivilisten und Verfolgten. Seit 1952 wird er in Deutschland jeweils zwei Sonntage vor dem ersten Advent begangen. Der Tag hat dadurch das er an vergangenes Leid erinnert, zur Verantwortung in der Gegenwart mahnt und als Zeichen für Frieden und Versönung steht eine dreifache Funktion.
Die zentrale Veranstaltung begann mit einer Andacht in der evangelischen Stadtkirche, geleitet von Pfarrer Stephan Weimann. Dort bot das Collegium Musicum unter Leitung von Didier Jacquin – ergänzt durch Solotrompeter Lutz Kniep – mit Werken von Henry Purcell und Norman Leyden den Anwesenden Raum zur Besinnung. Im Anschluss wurde auf dem katholischen Ehrenfriedhof (Werdener Straße / Lintorfer Straße) das Mahnmal für die Opfer kriegerischer Auseinandersetzungen aufgesucht.
Im Rahmen dieser Zeremonie legten Mitarbeiter der Feuerwehr im Namen der Stadt sowie des örtlichen VdK (Verband der Kriegsopfer) Kränze nieder. Ein Zeichen des Respekts und der Erinnerung an die gefallenen und leidenden Menschen. Bürgermeister Patrick Anders würdigte in seiner eindringlichen Ansprache das Engagement der Angehörigen der Schützenbruderschaft Ratingen sowie der Feuerwehr Ratingen, ohne deren tatkräftige Unterstützung der würdige Rahmen dieser Feier kaum möglich gewesen wäre. Lutz Kniep leitete an der Seite der Standartenträger der Bruderschaft, mit seinem Trompetensolo eine bewegende Stille ein.
Gemeinschaft im Zeichen der Erinnerung
Was diese Feier auch sichtbar machte: Die Erinnerung an Krieg und Gewalt ist kein abstrakter Vorgang sondern wird in der Stadtgesellschaft von Ratingen getragen. In der Kirche, auf dem Friedhof, im Zusammenspiel von Öffentlichkeit, speziellen Gedenkorten und Bürgerinnen und Bürgern. Beide Stadtkirchen, sowohl die katholische Peter und Paul Kirche als auch die evangelische Stadtkirche waren gut besucht, was zeigt, dass die Auseinandersetzung mit diesem Tag in der christlichen Wertegemeinschaft sehr ernst genommen wird.
Durch das gemeinsame Gedenken entsteht unter den Menschen eine Verbindung, die sich nicht nur zwischen den Generationen, zwischen aktiven Helfenden und Angehörigen sondern auch unter Fremden ausbreitet. Das Niederlegen der Kränze im Namen der Stadt wie auch des VdK macht sichtbar: Erinnerung ist nicht allein Privatsache, sie ist gesellschaftliche Aufgabe.
Durch die musikalische Gestaltung von barocken bis modernen Stücken in der Kirche wird bewusst gemacht, dass Erinnerung auch Sinnlichkeit und ästhetische Tiefe haben kann, sie lädt ein, innezuhalten, zuzuhören, nachzudenken.
Auch die Rede von Bürgermeister Anders und die Worte von Pfarrer Weimann tragen dazu bei, dass vergangene Opfer nicht bedeutungslos bleiben und Stattdessen dazu aufrufen, heute so zu handeln, dass weitere Opfer vermieden werden.
In Anbetracht der Geschichte und der aktuellen Weltlage wird klar: Gedenken ist keine bloße Rückschau – es ist Auftrag. Solidarität wird hier zum Schlüsselwort. Denn wer die Opfer von Krieg, Gewalt und Verfolgung ehrt, verpflichtet sich zugleich, Gegenwart und Zukunft verantwortungsvoll zu gestalten. In einer Stadtgemeinschaft wie Ratingen heißt das: Wir nehmen einander wahr, die Angehörigen der aktiven Gremien, die Kirchen, die Mitbürgerinnen und Mitbürger – und wir handeln gemeinsam. Die vielen Besucher, die Bruderschaft und die Feuerwehr haben eindrücklich gezeigt, dass bürgerschaftliches Engagement Gedenkraum nicht nur formell möglich macht, sondern mit Herz und Tat. Die Kränze symbolisieren dabei Erinnerung, verbinden Institutionen, Bürgerinnen und Bürger im Geist der Anerkennung und des gemeinsamen Respekts.
Am Ende steht nicht nur das Gedenken – sondern der Blick nach vorn. Heute haben wir innegehalten, haben reagiert auf das, was war. Zugleich wurde deutlich: Erinnerung verlangt Haltung – in der Gemeinschaft, im Alltag, im Handeln. Wenn wir die Würde der Verstorbenen mit dem eigenen Verantwortungsbewusstsein verknüpfen, dann wird der Volkstrauertag mehr als eine Zeremonie. Er wird Ausdruck gelebter Solidarität und demokratischer Erinnerungskultur.

