Utz Rütten legt Hand an den Brunnen an, Bild: Alexander Heinz
Utz Rütten legt Hand an den Brunnen an, Bild: Alexander Heinz

Ratingen | Mit ruhiger Hand zieht Utz Rütten eine Betonrille nach, als wäre es ein filigranes Kunstwerk und kein tonnenschweres Bauwerk aus den 1970er-Jahren. Seit einigen Wochen arbeitet Rütten im Auftrag der Stadt Ratingen am Marktbrunnen, dessen charakteristische, senkrechte Betonriefen über Jahre hinweg verwittert, abgeplatzt oder durch Frost beschädigt wurden. Was für viele Passanten nur wie ein paar graue Streifen aussieht, ist in Wahrheit Millimeterarbeit: „Wenn die Struktur einmal gebrochen ist, lässt sie sich nicht einfach zuschmieren. Beton lebt – und man muss seine Sprache sprechen“, erklärt der erfahrene Handwerker.


Feinarbeit am groben Material

Rütten ist spezialisiert auf die Sanierung von Betonoberflächen, Steinelementen und Sichtbeton. Zu seinem Alltag gehören Ausbesserungen, Rekonstruktionen und konservierende Maßnahmen an Fassaden, Denkmälern und Freianlagen. Besonders anspruchsvoll: historische Betonstrukturen, die nicht einfach neu gegossen werden können. Der Brunnen am Marktplatz gehört genau in diese Kategorie. Auch als Maler, was sein ursprünglich erlernter Beruf war bevor er sich intensiv mit Betonkosmetik beschäftigte, hat er schon das eine oder andere in Ratingen „gezaubert“. So ist zum Beispiel das Fenster durch das niemand gucken kann, in der Nähe des Durchgangsmosaiks zwischen Düsseldorfer Straße und „Zum Steinhaus“ von ihm gemalt.

Schritt für Schritt hat Rütten die beschädigten Rillen zunächst freigelegt, lose Kanten entfernt und den Untergrund vorbereitet. Mit speziellem Reparaturmörtel rekonstruierte er anschließend die feinen, vertikalen Strukturen – immer im Wechsel aus Glätten, Nachritzen und Trocknen. „Der originale Rhythmus der Riefen muss bleiben. Wenn nur eine einzige Linie aus dem Takt fällt, sieht man das sofort“, sagt er.

Zwischen Expertise und Bauchgefühl

Wer Rütten während der Arbeit beobachtet, merkt schnell: Das ist keine Baustelle, sondern Handwerk im ursprünglichen Sinn. Er arbeitet viel nach Gefühl, mit Blick auf Licht, Schatten und Materialreaktionen. Die Stadt lässt ihm bewusst den Raum dafür, denn Erfahrung wie seine ist selten geworden – Betonsanierung ist ein eigenes Fachgebiet, das weit über simples „Flicken“ hinausgeht.

Neben den sichtbaren Schäden an den Riefen hat Rütten der Stadtverwaltung auch Hinweise zur Brunneneinfassung gegeben. Kleine Abplatzungen, Haarrisse und Feuchtstellen können langfristig zu größeren Schäden führen. Eine regelmäßige Wartung und klimaangepasste Pflege, so sein Rat, würde viel Aufwand ersparen.

Winterpause – und ein neuer Blick auf den Brunnen

Nun ruhen die Arbeiten erst einmal. Die sinkenden Temperaturen erlauben keine fachgerechten Feinarbeiten mehr, denn Reparaturmörtel und Beton müssen bei bestimmten Bedingungen verarbeitet werden, um dauerhaft zu halten. Außerdem entsteht rund um den Brunnen momentan der Weihnachtsmarkt – zu eng, zu belebt, zu riskant für eine laufende Sanierung.

Im Frühjahr wird Rütten die Arbeiten fortsetzen und den Brunnen in seinem ursprünglichen Erscheinungsbild vollenden. Viele Ratingerinnen und Ratinger werden bis dahin täglich an dem Bauwerk vorbeigehen – vielleicht mit einem neuen Bewusstsein dafür, wie viel präzise Handarbeit in einem einzigen Stück Beton stecken kann.

Denn manchmal braucht es nur einen Mann, einen Spachtel und eine ruhige Hand, um ein vertrautes Stück Innenstadt wieder zum Strahlen zu bringen. Utz Rütten hat genau das getan – und damit gezeigt, dass selbst grober Beton eine feinfühlige Behandlung verdient.