
Ratingen | Kaum ein psychologischer Begriff hat in den vergangenen Jahren einen solchen Aufschwung erlebt wie der Narzissmus. Ob in sozialen Medien, im beruflichen Alltag oder in persönlichen Beziehungen – das Wort ist allgegenwärtig. Dabei ist das Phänomen keineswegs neu: Bereits die antike Mythologie erzählt die Geschichte des Jünglings Narziss, der derart von seinem eigenen Spiegelbild fasziniert war, dass er an seiner Selbstbezogenheit zugrunde ging. Die moralische Lehre der Sage wirkt bis heute nach und bildet den sprachlichen Ursprung für eine Persönlichkeitsstruktur, die Menschen seit Jahrhunderten beschäftigt.
Doch was erklärt das Wesen dieser Menschen und wie geht man mit diesen um? Darum geht es in einem VHS-Vortrag am Mittwoch, 3. Dezember, 19 bis 21.15 Uhr, unter dem Titel „Das “böse Gift” der Narzissten“ am (Kurs-Nr. X3305).
Interessenten melden sich bitte zu der Veranstaltung schriftlich an. Weitere Informationen gibt es über die Homepage www.vhs-ratingen.de. Telefonische Auskünfte erteilt die VHS unter 02102 550-4307 und -4308, E-Mail: vhs@ratingen.de.
In der modernen Psychiatrie bezeichnet die Narzisstische Persönlichkeitsstörung (NPS) ein tiefgreifendes Muster aus übersteigertem Anspruchsdenken, mangelnder Empathie und dem ständigen Wunsch nach Bewunderung. Laut internationalen Studien gilt die Störung als relativ selten: Schätzungen gehen von etwa 0,5 bis 2 Prozent der Bevölkerung aus. Dennoch wirkt der Begriff in der öffentlichen Wahrnehmung wesentlich weiter – nicht zuletzt, weil auch milde oder situativ bedingte narzisstische Züge inzwischen offen diskutiert werden.
Auffällig ist die geschlechtsspezifische Verteilung. Nach den Diagnostiksystemen DSM-5 und ICD entfällt ein deutlicher Anteil der klinisch erfassten Fälle auf Männer: Etwa 75 Prozent der diagnostizierten NPS-Patienten sind männlich. Forscherinnen und Forscher betonen jedoch, dass dies nicht bedeutet, Frauen seien grundsätzlich weniger narzisstisch. Vielmehr zeigen sich Unterschiede in der Ausprägung: Männer erreichen im Durchschnitt höhere Werte im sogenannten grandiosen Narzissmus, der sich durch Dominanz, Selbstüberschätzung und ein hohes Geltungsbedürfnis auszeichnet. Frauen dagegen liegen in Studien häufiger beim verletzlichen Narzissmus höher – einer Form, die durch Unsicherheit, Sensibilität, innere Konflikte und gleichzeitiges Anspruchsdenken geprägt ist.
Dass der Narzissmus in den vergangenen Jahren stärker in den Vordergrund rückt, ist kein Zufall. Unsere Gegenwart bietet mehr Raum denn je für Selbstinszenierung: Profile, Bilder, Likes und digitale Bühnen schaffen Möglichkeiten, die es früher nicht gab. Psychologen weisen jedoch darauf hin, dass nicht jedes sichtbare Selbstmarketing gleich pathologisch ist. Problematisch wird es erst dort, wo Empathie, echte Beziehungen und Selbstreflexion dauerhaft hinter Größenfantasien und Bewunderungssuche zurücktreten.
