Nach Ansicht von Limbach hat die Selbstkontrolle der Justiz funktioniert.
Nach Ansicht von Limbach hat die Selbstkontrolle der Justiz funktioniert. Foto: David Young/dpa

Menden/Arnsberg (dpa/lnw) – Nach einer vom Landgericht als rechtswidrig eingestuften Hausdurchsuchung wegen Anti-Merz-Schmierereien bei einer jungen SPD-Politikerin pocht ihr Anwalt auf Einstellung der Ermittlungen. «Bislang hat die Staatsanwaltschaft noch keine weiteren Beweise vorgelegt, die dafür sprechen könnten, dass meine Mandantin im Entferntesten mit der Sache zu tun hat», sagte ihr Anwalt Thomas Kutschaty, der frühere SPD-Justizminister in NRW, der Deutschen Presse-Agentur. Er erwarte, dass die Staatsanwaltschaft die Sache abschließend überprüfe und setze sehr darauf, dass das Verfahren wie von ihm beantragt bald eingestellt werde. 


Richter äußern klare Kritik am Vorgehen 

Die Mendener Vorsitzende der SPD-Jugendorganisation Jusos, Nela Kruschinski, war wegen großflächiger Anti-Merz-Graffitis kurz vor der Bundestagswahl an der Schützenhalle von Menden ins Visier von Polizei und Staatsanwaltschaft geraten. Zwei Monate nach dem Vorfall hatte es eine vom Amtsgericht Arnsberg abgesegnete Hausdurchsuchung bei der damals 17-Jährigen gegeben, die, wie durch einen WDR-Bericht am Sonntag bekannt wurde, vom Landgericht später als rechtswidrig eingestuft wurde. 

Die Richter begründeten dies unter anderem damit, dass ein Anfangsverdacht gar nicht vorgelegen habe, die Zeugenhinweise seien viel zu vage für eine Identifizierung eines Tatverdächtigen. 

Limbach: Selbstkontrolle der Justiz hat funktioniert

Der nordrhein-westfälische Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) sagte, das Selbstkontrollsystem der Justiz habe in diesem Fall letztlich funktioniert – wenn auch lediglich rückwirkend. «Das Landgericht hat in seinem Beschluss mit klaren und deutlichen Worten festgestellt, dass der Durchsuchungsbeschluss rechtswidrig war.» Dieser Auffassung schließe er sich «vollumfänglich» an, sagte Limbach im Rechtsausschuss des Landtags, der im Kölner Oberlandesgericht tagte. Er gehe davon aus, «dass sich alle Beteiligten vor Ort jetzt kritisch mit der Entscheidung des Landgerichts auseinandersetzen».

Das Justizministerium teile allerdings nicht die rechtlichen Bedenken des Landgerichts, dass der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses nicht aktenkundig gemacht worden sei, sagte der Leiter der Strafrechtsabteilung im Ministerium, Christian Burr. Der Antrag auf Erlass eines solchen Beschlusses sei nicht formgebunden. Es sei zulässig, dass die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft in deren Namen Anträge stellt, sagte Burr. Auch die Staatsanwaltschaft hatte sich am Dienstag entsprechend gerechtfertigt.

So erlebte die 17-Jährige die Durchsuchung

Kutschaty bezeichnete es als «irritierend», dass die Staatsanwaltschaft in Arnsberg ihr Vorgehen trotz deutlicher Worte des Landgerichts verteidige und weiterhin an ihrem Tatverdacht festhalte. Das Landgericht habe festgestellt, dass die Staatsanwaltschaft sich nicht ausreichend am Verfahren beteiligt habe: «Sie hat die Polizei im Wesentlichen laufenlassen und hätte diesen Sachverhalt im Vorfeld intensiver überprüfen und zumindest aktenkundig machen müssen. Das war keine saubere Arbeit der Staatsanwaltschaft.» 

Seine Mandantin sei von der Durchsuchung ihres Kinderzimmers völlig überrascht worden, schildert Kutschaty: «Stellen Sie sich die Situation vor: Eine kleine Siedlung im Sauerland, da fahren Polizeifahrzeuge vor, mehrere Beamte mit Schutzwesten und bewaffnet und nehmen wichtige technische Geräte der Schülerin mit. Das ist schon etwas Einschneidendes für so eine 17-Jährige mitten in der Abiturvorbereitung.»

Anwalt kritisiert «übereifrigen Einsatz von Polizei und Justiz»

«Wir haben hier einen übereifrigen Einsatz der Polizei und offensichtlich auch der Justiz», beklagte Kutschaty. «Nach diesen wirklich sehr unschönen Schmierereien wollte man offensichtlich schnell politische und rechtliche Erfolge vor Ort liefern. Dabei hat man allerdings rechtsstaatliche Grundsätze nicht mehr beachtet. Das ist fatal in unserem Rechtsstaat.» 

Der Rechtsausschuss des Landtags befasste sich in einer aktuellen Viertelstunde mit dem Vorfall. Am Donnerstag steht die Angelegenheit im Innenausschuss zur Diskussion.