Heiligenhaus/Velbert (dpa/lnw) – Der chinesische Autozulieferer Lingyun hat seine Absicht bekräftigt, Eigentümer des insolventen Autoschloss-Spezialisten Kiekert zu bleiben. «Das Ziel ist es, die Insolvenz möglichst schnell aus der Welt zu schaffen», sagte ein Sprecher von Lingyun auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Der Gesellschafter werde dafür wichtige Beiträge leisten: «Dazu zählt es, neben der Befriedigung der Gläubiger auch ein tragfähiges Zukunftskonzept für die nächsten Jahre umzusetzen, das die Zustimmung aller wichtigen Beteiligten findet.» Deutschland und der Standort in NRW seien absolut zentral. Mit den Beteiligten gebe es mittlerweile einen regelmäßigen, konstruktiven Austausch. «Dieser ist ebenso vertrauensvoll wie vertraulich.»
Vorwürfe gegen chinesischen Gesellschafter Lingyun
Das Amtsgericht Wuppertal hatte am 23. September ein vorläufiges Insolvenzverfahren angeordnet. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde Joachim Exner von der Kanzlei Dr. Beck & Partner bestimmt. Die Insolvenz sei die Konsequenz daraus, «dass der chinesische Gesellschafter keine weiteren Mittel bereitgestellt und seine finanziellen Verpflichtungen im dreistelligen Millionenbereich nicht erfüllt hat», hieß es in einer Mitteilung des Unternehmens.
«Der von Sanktionen betroffene Gesellschafter verwehrt uns den Zugang zu wichtigen Märkten und Finanzierungen, was unsere Geschäftstätigkeit erheblich gefährdet», hatte Kiekert-Vorstandschef Jérôme Debreu erklärt. «Der Ausstieg des Gesellschafters ist entscheidend, um unser Wachstum zu beschleunigen und die 168-jährige Geschichte von Kiekert als systemischen Zulieferer der Automobilindustrie fortzusetzen.»
Ist ein neuer Investor die beste Lösung?
Vor einer Woche hatte Insolvenzverwalter Exner mitgeteilt, dass der Geschäftsbetrieb wieder stabil laufe. «Alle Aufträge werden wie gewohnt produziert und ausgeliefert», hieß es in einer Mitteilung. Er und sein Team prüfen nun die Sanierungsoptionen für das Unternehmen, ob etwa eine Investorenlösung oder die Sanierung über einen Insolvenzplan, also ein Vergleich mit den Gläubigern, die beste Lösung ist.
Von der Insolvenz betroffen sind knapp 700 Beschäftigte in Heiligenhaus im Kreis Mettmann. Davon arbeiten laut IG Metall knapp 300 in der Produktion. Mehr als 200 sind in der Entwicklungsabteilung beschäftigt. Die übrigen arbeiten etwa im Vertrieb oder in der Datenverarbeitung. Die ausländischen Tochtergesellschaften der Kiekert AG in Europa, Asien und Nordamerika sind von dem Verfahren nicht betroffen.
IG Metall: Lingyun meint es ernst
Nach Angaben der IG Metall könnte der Insolvenzantrag nur zurückgenommen werden, wenn der sogenannte Insolvenzgrund beseitigt werde. «Das heißt, wenn man zum Beispiel zahlungsunfähig ist und deswegen Insolvenz angemeldet wird, muss man wieder zahlungsfähig sein», sagte der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Velbert, Hakan Civelek, der dpa. Dann könne man das Unternehmen wieder übernehmen. Wie wahrscheinlich das im Fall Kiekert sei, könne er nicht sagen.
Er habe bei einem Treffen mit dem Shareholder den Eindruck gewonnen, dass der Gesellschafter ernsthaft bemüht sei, das Unternehmen wieder zurückzubekommen. Die Insolvenzsituation sei Lingyun allerdings schon vor dem Antrag bewusst gewesen.
Gewerkschafter: Schwachstellen jetzt ausbügeln
Bei Kiekert müsse man sich jetzt mit der Frage befassen: «Wie kam es zur Krise bei Kiekert? Wo sind die Probleme?» Auch vor dem Hintergrund der schwachen Nachfrage durch die Autohersteller müssten Schwachstellen jetzt zeitnah ausgebügelt werden, «um spätestens nach der Insolvenz wieder voll durchstarten zu können», so Civelek weiter.
Der Gewerkschafter rechnet damit, dass es bei einer Investorensuche eine Reihe von Interessenten geben wird, die Kiekert übernehmen wollen. Die IG Metall sei dabei komplett offen für den Prozess. «Wir werden jedem die gleiche Chance geben, der den Standort Heiligenhaus entwickelt.» Selbstverständlich gehöre dann auch die Lingyun-Gruppe dazu.
Auch Aston Martin und Rolls-Royce verwenden Kiekert-Schlösser
Positiv sieht Civelek auch eine Unterstützung durch die Autohersteller. «Sie wollen ja vom Weltmarktführer auch weiterhin ihre Teile haben, weil sie sie brauchen, aber auch mit allem zufrieden sind.» So stattet etwa Mercedes seine S-Klasse mit Schließsystemen von Kiekert aus. Auch in Fahrzeugen von Aston Martin und Rolls-Royce würden sie verbaut. Weltweit liege der Marktanteil bei knapp 25 Prozent. «Bei einigen deutschen Automarken liegt er sogar deutlich höher.» Der Gewerkschafter äußerte sich insgesamt zuversichtlich: «Stand heute gibt es überhaupt keinen Grund, pessimistisch zu sein.»
Kiekert ist nach Angaben des Insolvenzverwalters Weltmarktführer für Kfz-Schließsysteme. Laut Exner beschäftigt die Unternehmensgruppe insgesamt 4.500 Menschen. Kiekert gilt als Erfinder der modernen Zentralverriegelung. 2012 war das Unternehmen von Lingyun übernommen worden.