Konstanz (dpa) – Auf der Bodensee-Halbinsel Höri wird 2019 ein Mann getötet – mehr als fünf Jahre später ist ein 49-Jähriger deswegen zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Das Landgericht Konstanz sprach den Mann aus Kleve in Nordrhein-Westfalen aber nicht des Mordes, sondern der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Deutsche den Halbbruder seiner damaligen Partnerin im Frühsommer 2019 getötet hat. Einen Tötungsvorsatz sah es aber nicht.
Die Tat
Es ist kurz vor 23.00 Uhr, als es laut Gericht an der Tür des Opfers in Gaienhofen (Landkreis Konstanz) klopft. Der Mitbewohner des 51-Jährigen öffnet die Tür, an der die Halbschwester mit dem Angeklagten steht. In einem Mietwagen hatten sie sich aus Nordrhein-Westfalen auf den Weg an den Bodensee gemacht.
Das Paar will zum Opfer. Der Grund: Geld. Der Mann lebte laut Gericht auf Kosten der vermögenden Mutter. Von diesem Kuchen wollte die Halbschwester auch ein Stück abhaben, wie der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung erklärte.
Der Angeklagte stürmt demnach am Mitbewohner vorbei, die Treppe hoch in den ersten Stock. Im Schlafzimmer des Opfers kommt es laut Aussage des Mitbewohners zu einem Wortgefecht. Danach: dumpfe Schläge, ein Schrei und Stille. Der Angeklagte schlug den 51-Jährigen nach Auffassung des Gerichts mit mehreren Schlägen so fest ins Gesicht, gegen den Hals und den Oberkörper, dass er seinen Verletzungen erlag.
Das Motiv
«Entspannt» soll der Angeklagte nach den Schlägen wieder die Treppe runter gekommen sein, so der Richter weiter. Den Mitbewohner ließ das Paar demnach nicht mehr ins Zimmer. Die beiden sollen sich nach der Tat «zugedröhnt» haben. Beide sind laut Ermittlungen in der Krefelder Drogenszene bekannt.
Die Rolle der Schwester kann vor Gericht nicht genau ermittelt werden. Sie habe sich an der Aufklärung der Tat nicht wirklich beteiligen wollen, sagte der Richter. Für das Gericht steht aber fest: Sie war die Drahtzieherin und treibende Kraft des Ganzen.
Mehr Gewissheit gibt es dagegen beim Motiv. Die Halbschwester habe es auf das Geld ihrer vermögenden Mutter abgesehen, zu der sie über Jahre keinen Kontakt gehabt habe. Über das Vermögen habe das Opfer dank Vollmachten verfügt und es aus Sicht der Schwester verprasst.
Das Opfer sei schwerer Alkoholiker gewesen und habe täglich große Mengen Wein getrunken. Der Mitbewohner habe mietfrei im Haus leben dürfen, dafür aber im Haus und Garten geholfen. Auf dem Grundstück wurde mehr als fünf Jahre nach der Tat die Leiche des Opfers gefunden. Den Hinweis gab der Angeklagte während der Gerichtsverhandlung.
Die Anklage
Der 49-Jährige war fast genau fünf Jahre nach der Tat am 6. Juni 2024 in seiner Wohnung in Kleve festgenommen worden. Er wurde mit Hilfe von verdeckten Ermittlern überführt. Zu Gunsten des Angeklagten habe sein Teilgeständnis während des Verfahrens gesprochen, so die Kammer. Auf der anderen Seite sei ein langes Vorstrafenregister gestanden.
Angeklagt war der Mann wegen Mordes. Einen Tötungsvorsatz konnte das Gericht aber nicht zweifelsfrei feststellen. Der Tatplan sei gewesen, über das Opfer an das Vermögen der Mutter zu kommen, sagte der Vorsitzende Richter. «Man wollte ihn einschüchtern, ihn gefügig machen.» Genügend Anhaltspunkte dafür, dass man ihn aus dem Weg schaffen wollte, habe es nicht gegeben.
«Ein außergewöhnlicher und einzigartiger» Prozess sei nun zu Ende gegangen, sagte der Richter. Das Verfahren habe im Oktober ohne Leiche begonnen, aber mit schwerwiegenden Indizien. «Dann die Wendung – und nunmehr herrscht Gewissheit»: Aber nur in Bezug auf die Tatsache, dass das Opfer nicht mehr lebe. Der genaue Sachverhalt bleibe im Dunkeln. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.