Düsseldorf (dpa) – Die Bundesanwaltschaft hat für den geständigen Messer-Attentäter von Solingen die Höchststrafe beantragt: lebenslange Haft mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und anschließender Sicherungsverwahrung.
Der 27-jährige Syrer habe die Taten zwar gestanden, sich aber lange als Opfer der Manipulationen seines Telegram-Chatpartners dargestellt, sagte die Vertreterin der Bundesanwaltschaft. «Erst kurz vor Ende der Beweisaufnahme hat er sein wahres Gesicht gezeigt: das des Dschihadisten und Islamisten», sagte Staatsanwältin Antje Groenewald.
Bereits seit Ende 2019 habe er sich radikalisiert, so die Bundesanwaltschaft. Nachdem er zunächst immer mehr islamistische Inhalte konsumiert habe, habe er sie später auch selbst verbreitet.
«Propagandistische Ausschlachtung war ihm wichtig»
Er selbst habe die Tat aktiv und konspirativ vorbereitet und darauf gedrungen, dass der IS den Anschlag für sich reklamiert. «Die medienwirksame propagandistische Ausschlachtung seiner Tat war ihm wichtig.»
Mit «Allahu akbar»-Rufen habe er dann als IS-Terrorist in schneller Folge mit einem eigens gekauften Tranchiermesser jeweils auf den Hals seiner Opfer eingestochen. Nicht einmal eine Minute habe dies gedauert.
Issa al H. hatte seinen Messeranschlag als Rache für das Vorgehen Israels in Gaza, ein anderes Mal als Vergeltung für Massaker an Muslimen in mehreren Ländern bezeichnet. Vor der Tat hatte er per Video einen Treueschwur auf den IS-Kalifen geleistet und ein Bekennervideo aufgenommen.
«Es hat sich um einen der schwersten politisch-religiös motivierten Anschläge der vergangenen Jahre in der Bundesrepublik gehandelt», sagte die Staatsanwältin.
Issa al H. sei dauerhaft entschlossen, Gewalttaten gegen «Ungläubige» zu begehen. An dieser Prognose des psychiatrischen Gutachters bestünden aus Sicht der Anklage keine Zweifel. Es gebe keine Anzeichen für eine innere Abkehr oder Reue.
«Mehr Heimtücke geht nicht»
Nebenklage-Vertreter Simon Rampp sagte, der Angeklagte habe 13 friedlich feiernde Besucher des «Festivals der Vielfalt» im Dunkeln und von hinten mit einem Messer angegriffen. «Mehr Heimtücke geht nicht», sagte Rampp. Er habe auch erst die Flucht ergriffen, als ihm ein Besucher entgegengetreten sei und mutig Widerstand geleistet habe.
Die überlebenden Opfer «leiden auf die ein oder andere Weise heute noch alle an der Tat», sagte Rampp. Die Version des Angeklagten, während der Tat eine Wahnvorstellung erlebt zu haben, sei eine plumpe Schutzbehauptung.
Angegriffen, weil sie getanzt haben
Ein Mann habe erleben müssen, wie seine Frau in seinen Armen stirbt. «Meine Mandanten wurden angegriffen, weil sie getanzt haben. Die Menschen in Deutschland erwarten eine klare Antwort des Rechtsstaates.»
Der Solinger Rechtsanwalt Athanasios Antonakis sagte: «Die Menschen in Solingen haben vielen Schutzsuchenden aus aller Welt ein Obdach gegeben und sich dies viel Geld kosten lassen. Ausgerechnet diese Menschen greift man an?» Alle Nebenklagevertreter schlossen sich der Höchststrafen-Forderung der Bundesanwaltschaft an.
«Soldat des Islamischen Staats»
Die Bundesanwaltschaft wirft dem Syrer Issa al H. (27) dreifachen Mord und zehnfachen versuchten Mord vor. Zudem sei er IS-Terrorist. Die Terrororganisation Islamischer Staat hatte den Messeranschlag für sich reklamiert und den Attentäter als «Soldat des Islamischen Staates» bezeichnet.
Der 27-Jährige hatte gestanden, den Anschlag am 23. August 2024 begangen zu haben, zum Vorwurf der IS-Mitgliedschaft aber geschwiegen. In der kommenden Woche sollen die Verteidiger plädieren. Am 10. September könnte dann das Urteil verkündet werden.