Düsseldorf (dpa/lnw) – Die Justizpanne in Wuppertal könnte einem weiteren als Drogendealer verurteilten Mann die Freiheit bescheren. Das hat NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) berichtet. Neben dem bereits Freigelassenen, der zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war, hat auch der Verteidiger eines zu 13 Jahren Haft verurteilten Mannes Haftbeschwerde eingereicht und Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls gestellt. Über diesen habe das Oberlandesgericht aber noch nicht entschieden.
«Das, was hier passiert ist, darf nicht passieren», sagte Limbach. Es handele sich um einen schwerwiegenden Einzelfehler. Das schriftliche Urteil sei fristgerecht verfasst und der Protokollentwurf von den Schreibkräften fristgerecht vorgelegt worden. Warum den Verteidigern dennoch auch neun Monate nach Urteilsverkündung weder Urteil noch Protokoll vorlag, werde nun dienstaufsichtsrechtlich von der Präsidentin des Landgerichts geprüft.
Keine Personalnot
Am Wuppertaler Landgericht gebe es keine Personalnot. Die Belastungsquote sei sogar etwas unterdurchschnittlich, erläuterte ein Ministeriumsmitarbeiter. Die betroffene Strafkammer selbst habe auch keine Überlastung angezeigt.
Weil neun Monate nach dem Urteil immer noch kein Protokoll vorlag und deswegen auch das Urteil nicht verschickt worden war, hatte das Oberlandesgericht Anfang Juni die Freilassung angeordnet.
Für Haftsachen gilt ein Beschleunigungsgebot. Das sahen die Richter am Oberlandesgericht nach 20 Monaten Untersuchungshaft nicht mehr gewahrt. Um die Revision beim Bundesgerichtshof begründen zu können, sind die Verteidiger auf das schriftliche Urteil und das Protokoll der Hauptverhandlung angewiesen.
OLG-Präsident «völlig fassungslos»
Der Fehler in der Behandlung liege beim Kammervorsitzenden, sagte der Präsident des Oberlandesgerichts, Werner Richter. Er sei «völlig fassungslos» gewesen, als er davon gehört habe. So etwas sei seiner Kenntnis nach in den vergangenen Jahrzehnten nicht vorgekommen. «Das Vertrauen in den Rechtsstaat wird durch einen solchen Fehler gefährdet.»
Eine Sprecherin des Landgerichts hatte darauf hingewiesen, dass der Freigelassene, wenn die Revision verworfen und das Urteil rechtskräftig wird, die Reststrafe absitzen muss. Die Aussetzung der Untersuchungshaft sei kein Straferlass.