Düsseldorf/Münster (dpa/lnw) – Bundesrichter Carsten Günther soll neuer Präsident des Oberverwaltungsgerichts für Nordrhein-Westfalen in Münster werden. Das hat das NRW-Landeskabinett entschieden. Der 55-jährige Günther folgt damit auf Ricarda Brandts, die im Mai 2021 in den Ruhestand gegangen war.
Um die jahrelang unbesetzte Stelle hatte es viel politischen und juristischen Ärger gegeben. Mehrere Gerichte und ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss (PUA) im Düsseldorfer Landtag befassten sich mit der Besetzung. Der Vorwurf der Vettern- und Parteibuchwirtschaft stand im Raum.
Zuletzt waren noch zwei Bewerber im Rennen. Ob Günther den Posten zeitnah antreten kann, hängt jetzt vom unterlegenen Kandidaten ab. Der kann innerhalb von zwei Wochen gegen die Entscheidung Klage einreichen. Dem Wechsel zurück nach Nordrhein-Westfalen muss auch noch der Bund zustimmen.
Justizaffäre
Nach mehreren Anläufen, den Posten zu besetzen, hatte eine spät ins Verfahren eingestiegene Abteilungsleiterin des NRW-Innenministeriums das Rennen gemacht. Dagegen hatten Günther und ein weiterer Bewerber sich juristisch gewehrt. Mehrere Verwaltungsgerichte, das OVG selbst und sogar das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe befassten sich mit dem Streit.
Als auch noch Verfahrensfehler bekanntwurden, nahm das Kabinett seine Entscheidung für die Juristin zurück und das Justizministerium musste das Verfahren neu aufrollen. Mit dem Verzicht der Juristin, die als Abteilungsleiterin in ein Bundesministerium nach Berlin wechselt, war der Weg für Günther frei.
Im Landtag beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuss mit der Besetzungsaffäre. Der Vorwurf der Opposition: Vetternwirtschaft und parteipolitische Kungelei. Kern des Problems: Die bisherige Favoritin im Auswahlverfahren, eine Duz-Bekanntschaft des Justizministers, hatte in ihrer Beurteilung Bestnoten von Innen-Staatssekretärin Daniela Lesmeister erhalten, obwohl diese damals lediglich zwei Monate ihre Vorgesetzte gewesen war.
Pikant: Günther hatte schwere Vorwürfe gegen seinen zukünftigen Dienstherrn, NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) erhoben. Die eidesstattliche Versicherung des Justizministers zu dem Vorgang sei «objektiv falsch». Sie widerspricht in mehreren Punkten den eidesstattlichen Versicherungen des Richters.
Wer ist Günther?
Günther kennt sich in den Verwaltungsgerichten in Nordrhein-Westfalen gut aus. Bis zu seiner Berufung 2015 ans Bundesverwaltungsgericht nach Leipzig war der heute 55-Jährige Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Düsseldorf.
Als Richter angefangen hatte er im Jahr 2000 am Verwaltungsgericht Köln. Es folgten Abordnungen ab 2003 an das Bundesjustizministerium, an die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen und von 2007 bis 2010 an das NRW-Justizministerium. Von 2009 bis 2013 war er Richter am Oberverwaltungsgericht Münster, das er nun leiten soll.
Reaktionen von SPD und FDP
SPD und FDP gratulierten. «Herzlichen Glückwunsch an Herrn Dr. Günther zu seiner Ernennung. Und Respekt für seinen Mut und seine Energie, mit der er sich für seine Rechte bei der Besetzung der OVG-Präsidentenstelle eingesetzt hat. Wir wünschen ihm viel Erfolg bei den nun anstehenden Aufgaben, die angesichts dieser zurückliegenden Justiz-Odyssee nicht gerade klein sein dürften», sagte Nadja Lüders, Obfrau der SPD-Fraktion im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur OVG-Besetzung.
Der Minister habe sich im eigenen Beziehungsgeflecht verheddert. Daraus lösen könne er sich nur mit seinem Rücktritt, sagte Lüders laut Mitteilung. «Endlich, das Oberverwaltungsgericht hat wieder eine Leitung!», sagte der rechtspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Werner Pfeil, laut Mitteilung. Auch er gratulierte Günther und forderte eine Reform der Besetzungsverfahren von Spitzenposten in der Justiz. Die Bestenauslese dürfe nicht länger Theorie sein, sondern zum verpflichtenden Maßstab werden, fordert Pfeil.