Kleve (dpa/lnw) – Der Klimawandel mit milderen Wintern verändert nach Beobachtung des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) das Verhalten von großen Zugvögeln.
Arktische Gänse kämen tendenziell etwas später zu den Rastgebieten nach Deutschland. Längst nicht mehr alle Störche flögen bis nach Afrika und ein Teil der Kraniche erspare sich mit einem Winterquartier in Frankreich den Überflug über die Pyrenäen, zählte Christian Chwallek, Sprecher des Landesfachausschusses Ornithologie und Vogelschutz des Nabu NRW, auf.
«Niederrhein ist für Gänse das, was für Rentner Mittelmeerküste ist»
«Der Niederrhein ist für die arktischen Gänse das, was für Rentner die Mittelmeerküste ist», verdeutlicht der Experte den Temperaturunterschied im Winter. Bis zu 250.000 arktische Gänse stellten sich hier ein. «Man kann in den letzten Jahren die Tendenz feststellen, dass sie später kommen», sagte Chwallek.
Die Schwärme machten nach dem Flug über die Ostsee einen längeren Stopp als früher an den Küsten Polens und Deutschlands. Die typischen V-Formationen am Himmel der Gänse und Kraniche könnten voraussichtlich ab Mitte Oktober in Teilen Deutschlands beobachtet werden. Die längeren Zwischenstopps auf den Flugrouten wie bei den arktischen Gänsen sieht Chwallek als eine Reaktion auf spätere Wintereinbrüche.
Bei Kranichen und Weißstörchen gehe es hingegen um die lange Flugstrecke nach Afrika, die nicht mehr von allen Tieren vollständig absolviert werde. Das Mittelmeer stelle wegen fehlender Aufwinde ein großes Hindernis für Zugvögel dar, erklärt der Experte. Auf den Flügelschlag angewiesen konzentriertem sich die Tiere auf dem Weg nach Afrika deshalb auch auf die Meerengen Gibraltar und Bosporus.
Diepholzer Moor und Bodden wichtige Rastplätze
Auch Gebirge zu überwinden, koste die Tiere viel Kraft. «Bei den Kranichen ziehen nicht mehr alle über die Pyrenäen.» Etliche Kraniche überwinterten so in Frankreich und kämen erst gar nicht mehr bis nach Spanien. Der Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft stelle einen sehr wichtigen Rastplatz für Kraniche als auch Gänse aus Nordeuropa in Deutschland dar. Vom Diepholzer Moor in Niedersachsen zögen Kraniche an den Lac du Der in der französischen Champagne. Auch im Diepholzer Moor überwinterten zunehmend Kraniche.
Bei den Weißstörchen könne eine ähnliche Entwicklung festgestellt werden. «Immer mehr werden durch milden Winter verleitet, nicht mehr wegzufliegen oder nur noch einen kürzeren Flug vielleicht bis Spanien zu wählen statt bis nach Afrika, weil es kraftsparender ist.»
In Nordrhein-Westfalen habe sich die Population von drei bis vier Brutpaaren Ende der 90er Jahren auf etwa 700 Weißstörche erholt. Chwallek schätzt, dass etwa 5 Prozent auch im Winter hier sind. Am Niederrhein könne man immer wieder überwinternde Störche sehen.
Weißstörche hätten außerdem ihr Nahrungsspektrum erweitert. «Früher waren sie besonders angewiesen auf alles, was in Teichen lebt, vor allem Frösche», erklärte der Experte. Mittlerweile fressen Störche nach seinen Beobachtungen auch Regenwürmer, Engerlinge und selbst Mäuse. «Das nehmen die Störche eigentlich alles. Solange es keine lange Frostperiode gibt, finden sie immer etwas am Boden», verdeutlicht der Vogelexperte des Nabu NRW.