Von den anhaltenden Lieferengpässen bei zahlreichen Medikamenten sind auch Kochsalzlösungen betroffen. (Symbolbild)
Von den anhaltenden Lieferengpässen bei zahlreichen Medikamenten sind auch Kochsalzlösungen betroffen. (Symbolbild) Foto: Philip Dulian/dpa

Düsseldorf (dpa/lnw) – Trotz eines Mangels an medizinischen Kochsalzlösungen muss sich nach Worten von Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) kein Patient Sorgen um seine Behandlung machen. «Wir haben ein Lieferproblem, aber wir haben Gott sei Dank kein Problem, dass wir akut irgendetwas verschieben müssen», sagte Laumann in einer Aktuellen Stunde des Düsseldorfer Landtags. 


Anlass der von der AfD beantragten Aktuellen Stunde war eine Warnung des Apothekerverbands Nordrhein: Verbandschef Thomas Preis hatte am Wochenende in der «Rheinischen Post» darauf hingewiesen, dass medizinische Kochsalzlösungen viel zu knapp seien. Sie werden in Krankenhäusern etwa für Infusionen und Spülungen bei Operationen benötigt. Steriles Salzwasser wird auch gebraucht, um Medikamente anzurühren, Schmerzmittel zu verdünnen oder Antibiotika-Lösungen herzustellen. 

Starke Abhängigkeit von fernen Ländern

Alle Fraktionen unterstrichen die Notwendigkeit, die Arzneimittelproduktion in Europa wieder zu stärken, um die starke Abhängigkeit von China, Indien und den USA zu reduzieren. «Während im Jahr 2000 noch rund 30 Prozent der Produktion in Asien erfolgte, sind es inzwischen schon über 60 Prozent», sagte die FDP-Abgeordnete Susanne Schneider. Zudem hätten jüngste Überregulierungen in der EU dazu geführt, dass sich die Produktion von Arzneien mit niedrigen Erlösen für die Unternehmen gar nicht mehr lohne, kritisierte die frühere Pharma-Referentin. 

Laumann mahnte Ehrlichkeit in der Debatte an. «Wenn wir die Resistenz der Arzneimittelherstellung in Europa wollen, dann werden Arzneimittel tendenziell teurer.» Wenn aber der Sozialversicherungsbeitrag nicht steigen solle und gleichzeitig die Bundesregierung aufgrund der Haushaltsengpässe Steueranteile in der Sozialversicherung zurückführe, dann gehe das nicht auf.

Keine Versorgungssicherheit für lau

«Wir können nicht sagen, wir wollen das alles haben, aber das kostet nichts», stellte der CDU-Politiker fest. «Mir ist die Versorgungssicherheit das Wichtigste in diesem Gesundheitssystem und diese Versorgungssicherheit hat auch ihren Preis.» Er sehe keine Möglichkeit, das System zu stabilisieren, ohne eine Beitragserhöhung in den Krankenkassen und in der Pflegeversicherung. «Und deswegen sollten wir nicht alle sofort herumschreien, wenn wir im nächsten Jahr zur Erhöhung von Krankenkassenbeiträgen kommen.»

AfD-Fraktions- und Landesparteichef Martin Vincentz kritisierte hingegen: «Die Menschen sollen immer mehr zahlen, die Leistung indes wird immer schlechter.» Die seit Jahren chronischen Arzneimittel-Lieferengpässe seien «ein Desaster mit Ansage». 

Die Frage aller Fragen

«Wie kann etwas so Profanes wie steriles Salzwasser in einer der größten Industrie-Nationen und einem der stärksten Chemie-Standorte Europas knapp werden?», fragte Vincentz, der selbst Arzt ist. Die etablierte Politik habe das Land «zum Krisengebiet gemacht». Mindestens die Produktion lebenswichtiger Medikamente müsse dringend wieder nach Europa geholt werden. Das Land sollte schleunigst mit den Herstellern sprechen, um die Kapazitäten zu erhöhen. Insbesondere der Chemie-Standort NRW könne hier eine Vorreiterrolle einnehmen. 

Nach Daten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gibt es aktuell bei knapp 500 Medikamenten Lieferschwierigkeiten. Laut Düsseldorfer Gesundheitsministerium sind die Kliniken in NRW und in Deutschland bereits seit Monaten nur noch mit rund 80 Prozent der Bedarfe – zuletzt sogar bloß mit rund 50 Prozent – beliefert worden.

Weltweite Mangellage

Das Problem werde in NRW sehr ernst genommen, allerdings liege die Zuständigkeit für die Lösung beim Bund, betonten Abgeordnete von CDU und Grünen. Sie unterstrichen ebenso wie die SPD, es handle sich um eine weltweite Mangellage und kein deutsches Problem.

Importe von Kochsalzlösungen habe der Bundesgesundheitsminister jetzt erleichtert, berichtete Laumann. «Und das kann nur er.» Es gebe keine regionalen Arzneimittelmärkte, sondern heutzutage sogar eher europäische als nationale.

Laumann: «Wir kriegen es immer noch hin»

Ihm sei bewusst, dass die Bevölkerung die Lage so wahrnehme, dass der Staat das tägliche Leben nicht mehr so organisiere, dass man sich auf alles verlassen könne, sagte Laumann. Fakt sei aber, «dass wir das alles in allem immer noch hinkriegen – und das ist auch bei der Kochsalzlösung so».

Die gut ausgebildeten Apotheker seien in der Lage, die Lösungen selbst herzustellen – wie es etwa in den Krankenhausapotheken zurzeit gemacht werde – oder fehlende Medikamente durch vergleichbare Wirkstoffe zu ersetzen. An diese Kompetenzen sollte man nicht die Axt legen, indem man in Deutschland vom Prinzip der inhabergeführten Apotheke abweiche, warnte Laumann mit Verweis auf einen umstrittenen Apothekengesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums. 

Keine Panik

Die seit Jahren zunehmende Arzneimittelknappheit sei nicht hinzunehmen, betonte die Grünen-Abgeordnete Meral Thoms. Es liege aber auch in der Verantwortung der Politik, keine Panik zu schüren. Im Bereich der Kinderarzneien sei die Lage laut BfArM deutlich entspannter als im Vorjahr: «Bei den Fiebersäften gibt es keine Lieferengpässe, bei den Antibiotika-Säften ist der Lieferengpass bei Penicillin V bis Ende Oktober behoben.»

Der CDU-Abgeordnete Marco Schmitz nannte es «unverantwortlich, zu suggerieren, dass das Land allein diese Engpässe beheben könnte». Der SPD-Abgeordnete Thorsten Klute meinte, mit ihrem eingeschränkten Blick nehme die AfD die weltweite Mangellage nicht wahr.