Oberhausen/Emmerich (dpa/lnw) – Für Bahnpendler am Niederrhein werden die kommenden zwei Wochen wieder eine Geduldsprobe. Denn die Bahn treibt eines ihrer zurzeit größten Bauprojekte in Deutschland voran – und sperrt dafür erneut neun Wochen lang die Strecke zwischen Oberhausen und Emmerich. Das betrifft ab Freitag (21.00 Uhr) Pendler, aber auch den Fernverkehr und die Industrie entlang der wichtigen Güterstrecke. Die Bauarbeiten sind Teil eines Prestigeprojekts für den europäischen Güterverkehr.
Weshalb wird die Strecke so aufwendig ausgebaut?
Die rund 73 Kilometer lange Strecke am Niederrhein ist ein Teilstück des europäischen Güterverkehrskorridors vom Nordseehafen Rotterdam bis nach Genua am Mittelmeer. In den 1990er Jahren beschlossen die beteiligten Länder Deutschland, Niederlande, Schweiz und Italien, die Strecke auszubauen und zu modernisieren – und so wichtige Wirtschaftsstandorte über die Schiene an die großen Seehäfen anzuschließen.
Die bislang nur zweigleisige Strecke mit zum Teil veralteter Technik hat ihre Leistungsgrenze längst erreicht. Die Niederlande haben ihren Abschnitt 2007 fertiggestellt: Die 160 Kilometer lange Betuwe-Linie von Rotterdam zur deutschen Grenze gilt als eine der modernsten Güterverkehrsstrecken der Welt.
Wie ist der Stand des Ausbaus auf deutscher Seite?
Im November 2024 hat ein Baumarathon begonnen: Seitdem ist die Strecke von Oberhausen im Ruhrgebiet über Emmerich bis in die Niederlande 80 Wochen lang gar nicht oder nur eingeschränkt befahrbar. Das bezeichnet selbst die Bahn als ein «noch nicht dagewesenes Bauvolumen».
Geplant ist, auf der Strecke durchgängig ein drittes Gleis zu bauen. Allein am Niederrhein sollen dafür 47 Brücken erneuert und 38 zusätzliche Brücken gebaut werden. Den ersten Spatenstich gab es schon im Januar 2017 – doch bis zuletzt fehlten immer noch einige Genehmigungen. Auch wenn 2026 die 80-wöchige Bauphase abgeschlossen ist, werden die Arbeiten an der Strecke noch über viele Jahre weitergehen.
Weshalb dauern die Arbeiten so lang?
Eine besondere Herausforderung für Ingenieure und Bauarbeiter ist laut Deutscher Bahn die Überquerung des Wesel-Datteln-Kanals. Die bestehende Brücke soll nicht nur breiter, sondern auch 1,5 Meter höher werden, damit die immer größeren Schiffe auf der Bundeswasserstraße darunter durchpassen.
Weil schwere Güterzüge nicht mit starken Steigungen klarkommen, müssen die Gleise auf insgesamt drei Kilometern Länge zwischen Voerde und Wesel auf das neue Höhenniveau angepasst werden. Dafür müssen auch andere Brücken, Oberleitungen und sogar ein Bahnhof angehoben werden.
Auf welche Einschränkungen müssen sich Bahnreisende einstellen?
In den kommenden neun Wochen werden ICE vom Rheinland in die Niederlande umgeleitet und brauchen dadurch länger als sonst. Im Nahverkehr müssen Pendler auf den Linien RE5, RE8, RE13, RE19 und RE49 Umleitungen in Kauf nehmen oder auf Ersatzbusse umsteigen. Ab dem 25. August soll die Strecke zumindest wieder eingleisig befahrbar sein.
Welche Folgen hat die Sperrung für die Wirtschaft?
Unternehmen in der Region können ihre Logistik in während der Streckensperrung nicht über Güterzüge abwickeln. Gerade für das produzierende Gewerbe und die Chemieindustrie in der Region in das eine Herausforderung – denn nicht alle Waren können einfach auf Lastwagen umgeladen werden. Langfristig gilt die Anbindung an die wichtige Güterstrecke aber als wichtiger Pluspunkt für die Wirtschaft der Region.
Welche Großprojekte bei der Bahn stehen in NRW noch an?
Die Bahn saniert bis zum Jahr 2035 bundesweit ihr Schienennetz – Generalsanierung nennt sie das. Etwa zehn Großprojekte betreffen Strecken in Nordrhein-Westfalen. Im kommenden Jahr soll die Strecke Hagen-Wuppertal-Köln aufwendig saniert werden. Geplant sind die Arbeiten dort vom 6. Februar bis zum 10. Juli 2026. Für den Fernverkehr wird die wichtige Strecke in diesen fünf Monaten komplett gesperrt, auch S-Bahnen fahren stark eingeschränkt.
2028 sollen unter anderem die Arbeiten an der Strecke Hagen-Unna-Hamm beginnen. Für 2029 ist die Strecke Aachen-Köln eingeplant.