Immer wieder müssen unter dem Einfluss von K.-o.-Tropfen Opfer traumatisierende Übergriffe erleiden. (Symbolbild)
Immer wieder müssen unter dem Einfluss von K.-o.-Tropfen Opfer traumatisierende Übergriffe erleiden. (Symbolbild) Foto: Christian Thiele/dpa

Düsseldorf (dpa/lnw) – Nordrhein-Westfalen will eine höhere Mindeststrafe für besonders schweren Raub oder Sexualstraftaten, wenn sie mit Hilfe von K.-o.-Tropfen oder anderen schädlichen Stoffen begangen werden. Das Landeskabinett habe beschlossen, einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundesrat einzubringen, berichtete NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne). Die Mindeststrafe solle in solchen Fällen im Strafgesetzbuch von drei auf fünf Jahre heraufgesetzt werden.


«Die Kombination aus Gewalt und dem gezielten Einsatz von K.-o.-Tropfen oder anderen Stoffen verschärft die Schwere des Verbrechens erheblich», sagte Limbach in Düsseldorf. Dem trage das Strafrecht bislang nicht ausreichend Rechnung.

«Die Verwendung von K.-o.-Tropfen ist eine besonders perfide Methode, die nicht nur in die körperliche Unversehrtheit und das seelische Wohlbefinden der Opfer eingreift, sondern ihr Urteilsvermögen und ihre Verteidigungsfähigkeit ausschaltet, um heimtückisch eine schwere Straftat begehen zu können», stellte der Justizminister fest.

Lebenslanges Trauma droht

K.-o.-Tropfen seien weitgehend geschmacksneutral, in Mischgetränken bemerke man sie kaum, warnte er. «Das Opfer wird benommen und gerät in einen Zustand der Willenlosigkeit, in dem es leicht manipulierbar ist.» So komme es zu Missbrauch oder Raub. Die Opfer wüssten nachher nicht einmal, was mit ihnen passiert sei. «Das traumatisiert und hinterlässt ein Leben lang Spuren.»

Wer bei einer Vergewaltigung oder einem Raub mit einem Messer drohe oder ein anderes gefährliches Werkzeug einsetze, habe mit einer Haftstrafe nicht unter fünf Jahren zu rechnen, erläuterte der Justizminister. Ein lebensgefährliches Gift wie K.-o.-Tropfen oder andere gesundheitsschädigende Stoffe seien hingegen laut Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht als Werkzeuge einzustufen.

Juristenstreit: Was ist ein Tatwerkzeug?

Das überzeuge nicht – schon deshalb, weil die Wirkung unkalkulierbar sei: stark abhängig von der Konstitution des Opfers, vom Alkoholkonsum und möglicherweise eingenommenen anderen Drogen oder Medikamenten. «Das aber kann der Täter vorher nicht wissen», unterstrich Limbach. Bei Überdosierung drohten Atemstillstand und Tod. «Wer K.-o.-Tropfen einsetzt, spielt also in jedem Einzelfall mit dem Leben des Opfers.»

Mit strengeren gesetzlichen Regelungen solle nicht nur eine Unwucht im Strafgesetzbuch beseitigt, sondern auch eine Botschaft gesendet werden, die das französische Vergewaltigungsopfer Gisèle Pélicot mit den Worten formuliert habe: «Die Scham muss die Seite wechseln.» Er gehe von einer Mehrheit im Bundesrat für die Initiative aus, sagte Limbach.

Wie sind K.o-Tropfen-Übergriffe zu vermeiden?

«Das Schlimmste ist die Ungewissheit: Was ist in der Zwischenzeit eigentlich passiert?», fasste Nordrhein-Westfalens Opferbeauftragte Barbara Havliza die Verzweiflung der Betroffenen zusammen. Aus ihren Jahren als Richterin habe sie wiederkehrende Muster aus den Taten und einige Verhaltensempfehlungen abgeleitet:

  • Niemals in einem Lokal ein Getränk oder eine Speise unbeobachtet stehen lassen.
  • Freund oder Freundinnen – zum Beispiel bei einem Gang auf die Tanzfläche oder zur Toilette – bitten, das Getränk oder die Speise im Auge zu behalten. «Falls Sie nicht hundertprozentig sicher sind, kippen Sie es weg.»
  • Bei ersten Anzeichen von Unwohlsein nicht alleine weggehen, in der Nähe von Anderen bleiben. Wenn ein Unbekannter vermeintlich Hilfe anbiete, um die betroffene Person herauszubringen, sei das «meistens alles Andere als gut gemeint».
  • In Apotheken oder Drogeriemärkten gibt es Armbänder, die wie Teststreifen benutzt werden können. «Ist also ein Getränk einmal für kurze Zeit unbewacht geblieben, so kann ein Tropfen hiervon auf das Bändchen gegeben werden.» Bei einer giftigen Substanz, verfärbe sich der Rand. Ein absoluter Schutz sei das nicht, immerhin aber eine zusätzliche Absicherung für kleines Geld.
  • Gerade bei Sexualdelikten ist es besonders wichtig, danach möglichst sofort zu handeln – auch, wenn das Opfer noch nicht weiß, ob es den Vorfall überhaupt anzeigen will. Die in K.-o.-Tropfen und ähnlichen Substanzen verwandten Narkotika seien nur sehr kurze Zeit im Blut nachweisbar.
  • Es gibt eine anonyme Spurensicherung, die mittlerweile in den meisten Krankenhäusern vorgenommen werden kann. Betroffene sollten sich möglichst sofort zum Arzt oder ins Krankenhaus begeben, um sich dort auf Spuren untersuchen und diese dokumentieren zu lassen – also Blutentnahme, Verletzungen und Spermaspuren. Die Ergebnisse bleiben dort in Verwahrung und es kann in Ruhe überlegt werden, ob man Anzeige erstatten und das justizielle Verfahren durchlaufen möchte.
  • «Vor dem Gang zum Arzt oder zur Polizei: Schämen Sie sich nicht, waschen Sie sich nicht, duschen Sie nicht, wechseln Sie nicht die Kleidung, um keine Spuren und damit wichtige Beweismittel zu vernichten.»
  • Jede und jeder Betroffene kann sich an die Opferbeauftragte wenden: «Es gibt viele Möglichkeiten, Hilfen und Angebote, Opfer in einer solch schweren Zeit zu unterstützen und sie zu begleiten. Damit muss und sollte niemand alleine bleiben.»