Anwalt Uwe Krechel berät sich mit seinem Mandanten.
Anwalt Uwe Krechel berät sich mit seinem Mandanten. Foto: Guido Kirchner/dpa

Münster (dpa/lnw) – Im Prozess um einen mutmaßlichen Racheakt vor dem Landgericht Münster hat der Angeklagte am ersten Verhandlungstag der Anklage beim Motiv widersprochen. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hatte der 69-Jährige im Dezember 2024 zwei Mitglieder einer Familie angegriffen und töten wollen, die er für den Tod seines Sohnes im Jahr 2020 verantwortlich macht. Dazu habe er auf dem Parkplatz eines Supermarktes in Ahlen mehrere Schüsse abgegeben. Angeklagt ist der Deutsche wegen versuchten mehrfachen Mordes.


In einer von seinem Anwalt verlesenen Erklärung gab der Mann jetzt an, dass es nicht um Rache gegangen sei, die ihm sein Glaube als Christ verbiete, sondern um ein Zeichen für seinen toten Sohn. Er sei zum Tatzeitpunkt seit Wochen verwirrt gewesen. Er habe lediglich auf den Arm des heute 38-Jährigen gezielt und mit einer Verletzung ein Zeichen setzen wollen. 

Sohn des Angeklagten wurde 2020 erschossen

Der 34-jährige Sohn des Angeklagten war im Dezember 2020 auf einer Straße ebenfalls in Ahlen im Münsterland erschossen worden. Die Ermittlungen blieben ohne Erfolg und wurden im Sommer 2024 eingestellt. Für den Vater sei klar gewesen, so die Überzeugung der Anklage, dass die Nachbarsfamilie hinter der Tat stehe. Nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft soll seine Familie sehr darunter gelitten haben, dass niemand für den Tod ihres Sohnes zur Verantwortung gezogen wurde. Es sei gegen einige Mitglieder der Nachbarsfamilie ermittelt worden – der Verdacht habe sich nicht erhärtet, so die Staatsanwaltschaft in einer früheren Stellungnahme.

«Ich habe der Justiz vertraut. Dann kam diese niederschmetternde Nachricht, dass die Ermittlungen eingestellt wurden. Das war der innere Untergang für mich», ließ der Angeklagte von seinem Anwalt verlesen. Die Hoffnung sei in ihm zerbrochen und er habe lange keinen klaren Gedanken fassen können.

Laut Erklärung Waffe auf Flohmarkt gekauft

Laut der verlesenen Erklärung will der Angeklagte die Waffe auf einem Flohmarkt gekauft haben. Die Berechtigung, eine Waffe zu besitzen, hatte er nicht. Ausgelegt für mehr als einen Schuss soll die Pistole nicht gewesen sein. Darauf habe ihn der Verkäufer aufmerksam gemacht. Deshalb sei die Theorie der Anklage auch falsch, dass er aus Rache mehrere Menschen habe töten wollen. Die Waffe habe er wie jeden Tag dabeigehabt, aber nicht, um zu töten. Gewalt gegen Menschen verachte er. 

Laut der Anklage hatte sich der 69-Jährige im Dezember 2024 den beiden Opfern von hinten genähert, als der 38 Jahre alte Mann und seine Mutter auf dem Parkplatz eines Discounters gerade den Einkauf in den Kofferraum packten. Die Staatsanwaltschaft geht deshalb vom Mordmerkmal Heimtücke aus. Ein Durchschuss traf den Mann im Rücken und verletzte ihn schwer. Es bestand aber keine Lebensgefahr. Dann soll der Angeklagte die Waffe auf den Kopf der Mutter gerichtet haben. Die Frau überlebte, weil die Waffe bei zwei Schussversuchen Ladehemmungen hatte. Bei einer anschließenden Rangelei soll der Angeklagte der Frau noch mit der Waffe gegen den Kopf geschlagen haben. 

Familien kannten sich bereits in der Türkei

Die beiden Familien kannten sich bereits seit Jahrzehnten. Beide stammen aus dem gleichen Dorf in der Türkei. Der Vater des Angeklagten war als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen. In Ahlen hatten die beiden Familien trotz der Nachbarschaft aber nach Aussage des Angeklagten in den vergangenen Jahren kaum Kontakt. In das Nachbarhaus seien sie vor etwa 15 Jahren gezogen. Nachfragen ließ der Anwalt des 69-Jährigen mit Verweis auf den Gesundheitszustand des zucker- und herzkranken Mannes am ersten Prozesstag nicht zu. Sein Mandant werde aber später Fragen beantworten. Zu seiner Person und seinem Lebenslauf hatte er vor der Einlassung bereits ausführlich ausgesagt. 

Das Landgericht hat bis September elf Verhandlungstermine angesetzt.