Düsseldorf (dpa/lnw) – Flugabschiebungen abgelehnter Asylbewerber sind in den vergangenen Jahren häufig an einer Fülle von Restriktionen aufnehmender Länder und teilweise extrem langen Vorlaufzeiten gescheitert. Im Untersuchungsausschuss des Düsseldorfer Landtags zum Attentat von Solingen schilderten drei Mitarbeiter der Zentralstelle des Landes NRW für Flugabschiebungen (ZFA) in Bielefeld entsprechende Erfahrungen.
Bei Abschiebungen in europäische Länder (Dublin-Überstellungen) mit strengen Beschränkungen – etwa nach Bulgarien oder Kroatien – habe es wegen des hohen Bedarfs an Flügen schon Vorlaufzeiten von bis zu zwölf Wochen für eine einzige Person gegeben, berichteten die Zeugen. Sehr viele Faktoren hätten es schwer gemacht, innerhalb der Überstellungsfristen abzuschieben.
Restriktionen aufnehmender EU-Länder
So sei die Anzahl der monatlichen Charterflüge begrenzt, ebenso wie die geringe Zahl der abzuschiebenden Personen an Bord. Manchmal gebe es nur Plätze für Abschiebungen aus der Haft. Enge Beschränkungen gebe es auch auf Linienflügen. Zudem definierten manche Länder zahlreiche Sperrtage, wo niemand aufgenommen werde – etwa an Feiertagen oder in Ferien; Italien akzeptiere gar keine Dublin-Überstellungen.
Der mutmaßliche Attentäter von Solingen, Issa al H., war im Juni 2023 zum Zeitpunkt seiner geplanten Rückführung nach Bulgarien nicht in der Flüchtlingsunterkunft in Paderborn angetroffen worden. Ein weiterer Rückführungsversuch war nicht unternommen worden. Nach Auslaufen der Überstellungsfrist war er schließlich nach Solingen überwiesen worden. Ein Jahr später war es dort zu dem Attentat gekommen.
Keine Warteliste nach geplatzten Überstellungen
Die Zentralstelle für Flugabschiebungen leiste auf Anforderung der Ausländerbehörden Amtshilfe, erklärte eine Zeugin. Die Buchungen seien dort als Tagesgeschäft organisiert worden. «Wenn es keine Termine gibt, wird der Fall geschlossen.» Es gebe keine Kapazitäten, um Wartelisten zu führen oder Optionen, Plätze auf Abschiebeflügen zu tauschen, wenn nach der Buchung noch dringlicher erscheinende Fälle hereinkämen.
Erlass nach Solingen-Attentat verlangt Nachbuchung
Erst seit einem Erlass des NRW-Fluchtministeriums nach dem Solingen-Attentat im vergangenen August gebe es die Anweisung, bei Dublin-Überstellungen sofort eine neue Buchung vorzunehmen, wenn die ursprünglich geplante Abschiebung nicht zustande gekommen sei, berichteten die Zeugen. Hauptgründe für Stornierungen seien Abwesenheit des abzuschiebenden Asylbewerbers, Erkrankungen und Kirchenasyl, berichtete der Teamleiter der ZFA. Die Storno-Kosten seien nicht gewaltig, sondern lägen im zweistelligen Bereich.
Die im November 2024 eingeräumte Möglichkeit, dass die Bundesländer eigene Charter-Abschiebeflüge nach Bulgarien durchzuführen dürfen, bewertete der Zeuge nur bedingt als Erleichterung. «Das ist sehr aufwendig zu planen», berichtete er. Nur zehn Personen dürften auf dem Weg überstellt werden – insgesamt 15 Personen dürften mit Überbuchungsreserve auf die Liste.
Großer Aufwand, kleine Wirkung
«Ich kann nie sicher sein, dass ich am Ende auch wirklich zehn Personen überstellen kann», sagte der 32-jährige Beamte. Wenn dann doch nur acht Personen an Bord erscheinen, stelle sich die Frage: «Hätte ich die nicht auch auf Linie verteilen können?» Nötig wären viel größere Kontingente, bilanzierte er.
Im Juli hatte ein Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld im Ausschuss berichtet, das Verschwinden von Asylbewerbern kurz vor der geplanten Abschiebung sei «ein absoluter Regelfall».
Strafprozess auf der Zielgeraden
Bei dem Anschlag am 23. August 2024 auf einem Stadtfest in Solingen waren drei Menschen mit einem Messer getötet und acht weitere verletzt worden. Der mutmaßliche Attentäter, der Syrer Issa al H., muss sich seit Ende Mai vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verantworten. Die Terrororganisation Islamischer Staat hatte den Messeranschlag für sich reklamiert. Der 27-Jährige hatte gestanden, den Anschlag begangen zu haben, zum Vorwurf der IS-Mitgliedschaft jedoch geschwiegen.