Vorerst ist keine flächendeckende Stallpflicht für Geflügel in NRW wegen der Vogelgrippe geplant. (Archivbild)
Vorerst ist keine flächendeckende Stallpflicht für Geflügel in NRW wegen der Vogelgrippe geplant. (Archivbild) Foto: Daniel Karmann/dpa

Düsseldorf (dpa/lnw) – Hühner, Enten und Gänse dürfen von Geflügelhaltern in Nordrhein-Westfalen trotz erster Vogelgrippe-Fälle vorerst weiter ins Freie gelassen werden. NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) lehnt die Forderung nach einer flächendeckenden Stallpflicht für Geflügel zurzeit ab.


Warum wird jetzt keine Stallpflicht erlassen?

«Der Grund liegt darin, dass man unserer Auffassung nach sehr sorgsam abwägen muss, ob man eine flächendeckende Aufstallung vorschreibt. Stichwort ist da das Tierwohl», sagte die Ministerin im Westddeutschen Rundfunk (WDR5). Wenn Tiere, die gewohnt sind, nach draußen zu kommen, «die das Leben führen, wie wir Verbraucherinnen und Verbraucher es ganz besonders schätzen» in die Enge von Ställen kämen, führe das zu einem enormen Stress.

«Das heißt, die Tiere werden krank durch Stress. Die können das gar nicht vertragen, die nehmen auch ab, man kann ihnen das körperlich ansehen…». Außerdem sei es für kleine Betriebe eine große wirtschaftliche Belastung, wenn sie das Geflügel nicht mehr ins Freiland lassen dürften. «Das schafft am Ende des Tages oftmals auch nicht jeder Betrieb, das durchzuhalten, und damit würden sie letztendlich auch Betriebe platt machen.»

Wer fordert eine Stallpflicht?

Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft macht sich für ein bundesweites «Aufstallungsgebot» stark. «Das ist eine der wichtigsten Maßnahmen, die die Politik treffen kann», sagte Präsident Hans-Peter Goldnick im ZDF. Das Bundesagrarministerium in Berlin verweist dagegen auf die generelle Zuständigkeit der Länder für die Tierseuchenbekämpfung und auf unterschiedliche Situationen vor Ort. Dies müsse sorgsam abgewogen werden.

Wie ist die Lage in NRW?

Nordrhein-Westfalen sei im Verhältnis zu anderen Bundesländern noch wenig von der Vogelgrippe betroffen, sagt die Landwirtschaftsministerin. Sie verweist auf bislang insgesamt zwei Fälle im Kreis Kleve und zuvor im Kreis Paderborn, bei denen es um den Bestand von Geflügelhaltern ging. Bei toten Wildvögeln sind es den Angaben zufolge etwa ein halbes Dutzend bestätigte Fälle. Gorißen geht davon aus, dass das «sicherlich noch ein Stück weit zunehmen» werde.

Jüngster Fall im Kreis Kleve

In einem Betrieb in Rees mussten in der vergangenen Woche wegen der Tierseuche knapp 19.000 Puten getötet werden. Der Nachweis des Virus hat im direkten Umfeld auch Folgen für andere Geflügelhalter. Zur Eindämmung der Tierseuche wurde im Kreis Kleve eine Schutzzone von drei Kilometern rund um den betroffenen Betrieb und eine Überwachungszone mit zehn Kilometern Radius angeordnet. In beiden Sperrzonen gilt eine Stallpflicht auch für private Halter, um das Geflügel von wildlebenden Vögeln und Nagetieren zu isolieren. Zudem sind Desinfektionsmaßnahmen an Zu- und Abfahrtswegen vorgesehen.

Wie sind die Verbraucher betroffen?

«Es betrifft am Ende natürlich auch den Verbraucher, weil die Frage ist: Wie viel Fleisch steht am Ende des Tages zur Verfügung? Noch können wir da, glaube ich, zumindest hier in Nordrhein-Westfalen recht zuversichtlich sein», erklärte die Ministerin in dem Radiointerview zu den Auswirkungen.

Goldnick erklärte vor Tagen, er glaube vorerst nicht, «dass wir kurzfristige Preisexplosionen haben». Die Expertin der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft, Mechthild Cloppenburg, geht von steigenden Preisen aus.

Wie groß sind die Bestände?

Nach Daten des Statistischen Landesamtes sind 2024 in NRW 36,8 Millionen Tiere im Geflügelbereich geschlachtet worden. Darunter waren knapp 10.000 Enten und 23.000 Gänse. Mit 58,3 Millionen Tonnen war das die höchste Schlachtmenge der vergangenen 15 Jahre. In NRW haben 2024 mehr als 300 Betriebe insgesamt 5 Millionen Legehennen gehalten. Darunter waren 3,5 Millionen in Bodenhaltung. Die Legehennen in NRW legten 1,4 Milliarden Eier. Knapp die Hälfte der Eier wurde im Regierungsbezirk Münster produziert.

Treffen mit der NRW-Branche

Noch in dieser Woche, voraussichtlich am Freitag, soll es ein Treffen mit Branchenvertretern im Ministerium geben. Ziel sei eine gemeinsame Erklärung über erweiterte Präventionsmaßnahmen, sagte ein Ministeriumssprecher. So sollen zur Früherkennung engmaschige Untersuchungen von Tieren erfolgen. Zum Branchentreffen werden auch Rassegeflügel-Zuchtverbände eingeladen.

Vogelgrippe breitet sich seit Wochen aus

Die auch Geflügelpest genannte Krankheit breitet sich seit Wochen über ganz Deutschland aus und trifft zunehmend Geflügelbetriebe. Nach Angaben des in Greifswald ansässigen Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) haben bislang etwa 30 kommerzielle Geflügelhalter ihre Tiere töten müssen. Mittlerweile sind nach Angaben des Instituts mehr als 500.000 Hühner, Enten, Gänse und Puten in Betrieben aus acht Bundesländern betroffen.