Düsseldorf (dpa/lnw) – Sie ist zwar schon betagt, aber keineswegs unmodern: Die Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen wird 75 Jahre alt. Ob Schule, Wahlen, Umwelt- oder Datenschutz – die Verfassung betrifft den Alltag aller Menschen im bevölkerungsreichsten Bundesland. Dabei ist das Gesetzeswerk nicht in Stein gemeißelt, sondern in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder geändert worden.
Zum 75. Jubiläum der NRW-Landesverfassung zeigt die Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen im Landtag vom 3. bis zum 11. Juli eine Ausstellung zu dem Gesetzeswerk. Darin geht es um die Entstehungsgeschichte bis zur Verabschiedung 1950 und um Wegmarken, die wesentlichen Einfluss auf die gesellschaftlichen Entwicklungen in NRW hatten.
- 1968 wird mit der Reform des Schulsystems anstelle der achtjährigen Volksschule die vierjährige Grundschule und die weiterführende Hauptschule eingeführt und die konfessionelle Trennung der Schulen aufgehoben.
- 1969 wird als Reaktion auf die studentische 68er-Bewegung das Wahlalter zum aktiven Wahlrecht auf 18 Jahre herabgesetzt.
- 1978 wird der Datenschutz als Grundrecht in der Verfassung verankert. Es ist das erste Mal in Deutschland, dass ein Bundesland den Datenschutz in die Verfassung aufnimmt.
- 1985 trägt NRW mit der Aufnahme des Umweltschutzes als Staatsziel den seit Jahrzehnten laufenden Diskussionen Rechnung.
- 2002 wird durch den Beschluss zur Stärkung der politischen Partizipation und der Einführung der «Volksinitiative» den Bürgerinnen und Bürgern in NRW mehr Mitspracherecht in landespolitischen Fragen gegeben. Zudem verankert der Landtag Kinderrechte in der Verfassung.
- 2020 wird die Landesverfassung im 70. Jahr ihres Bestehens gleich im ersten Satz um einen Europa-Bezug ergänzt: «Nordrhein-Westfalen ist ein Gliedstaat der Bundesrepublik Deutschland und damit Teil der Europäischen Union», heißt es nun. Mit der Betonung der europäischen Dimension in der Landespolitik verankert das Land die Förderung eines geeinten Europas als Staatsziel in seiner Verfassung.
«Die Verfassung bildet einen stabilen Rahmen für unser Miteinander», sagt Hans Walter Hütter, Präsident der Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen. «Aber zugleich prägen unsere gesellschaftlichen Veränderungen auch die Verfassung.»
Zur Änderung der Landesverfassung ist eine Zweidrittel-Mehrheit des Landtags erforderlich – es gab bereits zahlreiche Novellierungen. Eine Besonderheit hat die NRW-Landesverfassung: Der Ministerpräsident oder die Ministerpräsidentin muss dem Landtag angehören. Diese Regelung gilt nicht für die Ministerinnen und Minister.
Lange Diskussionen um NRW-Verfassung
Mit der Verabschiedung des Grundgesetzes im Mai 1949 trat die Arbeit an der NRW-Landesverfassung in ein entscheidendes Stadium. Am 6. Juni 1950 beschloss der Landtag nach kontroversen Diskussionen die Verfassung des Landes, am 18. Juni 1950 stimmten die Bürgerinnen und Bürger in einem Volksentscheid zu. Am 11. Juli 1950 trat die NRW-Landesverfassung in Kraft. Da war das Land NRW schon rund vier Jahre alt.
Nordrhein-Westfalen wurde 1946 nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Untergang der Nazi-Diktatur von der britischen Militärregierung gegründet. Aus dem nördlichen Teil der preußischen Rheinprovinz sowie Westfalen wurde das Bindestrich-Bundesland gebildet. Die «Operation Marriage» wurde am 23. August 1946 in Düsseldorf besiegelt. Die Lipper kamen 1947 dazu.