
Düsseldorf (dpa/lnw) – Im neuen Jahr stehen in der nordrhein-westfälischen Landespolitik entscheidende politische und inhaltliche Weichenstellungen für die Landtagswahlen 2027 an: Wer empfiehlt sich als Spitzenkandidat, um die Macht im größten Bundesland zurückzuerobern oder zu verteidigen? Welche Versprechen aus dem Koalitionsvertrag kann die schwarz-grüne Landesregierung von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) im Endspurt der Wahlperiode noch einlösen? Im Folgenden ein Überblick über das landespolitische Jahr 2026.
Wer führt NRW in die Zukunft?
2026 werden sich die Parteien sortieren, auf wen und auf welche Kernthemen sie bei der Landtagswahl setzen wollen – auch wenn die finalen Parteitage dazu teils erst 2027 anstehen.
Die CDU wird nicht lange überlegen müssen: Sie liegt in den Umfragen schon während der gesamten Wahlperiode mit dickem Vorsprung vor der SPD. Unter ihrem Landesparteichef Wüst hat die regierungsführende Landespartei in etlichen Monaten sogar ihre 35,7 Prozent von der Landtagswahl 2022 hinter sich gelassen und ist in der Spitze sogar auf bis zu 41 Prozent Wählerzustimmung gekommen.
Wie lange bleibt Wüst in NRW?
Es dürfte klar sein, dass der 50-jährige Sympathieträger der CDU erneut für sie als Spitzenmann in NRW ins Rennen geht. Viel spannender ist die Frage, wie lange er hier bleibt. Denn angesichts bescheidener Umfragewerte für Kanzler Friedrich Merz (CDU) und seine Bundesregierung halten sich hartnäckig Rufe nach einem jüngeren Hoffnungsträger.
Wüsts Name ist dabei immer wieder im Gespräch. Wenn im Winter 2029 regulär ein neuer Bundestag gewählt würde, wäre NRW fast in der Mitte der Legislaturperiode – kein ungünstiger Zeitpunkt für mögliche Wechsel. Wüst selbst hält sich bedeckt: Die Dauer-Frage, ob er bereitstünde, falls der Kanzler scheitern sollte, lächelt er stoisch weg.
Wie stellt sich die Opposition auf?
Bei der SPD ist die Führungsfrage viel schwieriger zu beantworten. Spätestens in der ersten Jahreshälfte 2026 werde aber über die Spitzenkandidatur entschieden, hat die Landesparteiführung angekündigt. Die beliebte Bundesparteichefin und Arbeitsministerin Bärbel Bas aus Duisburg wird ihre Spitzenämter nicht riskieren. Landespolitische Protagonisten drängen sich nicht als Erfolgsgaranten auf.
Im Fokus steht nicht zuletzt die Frage, ob die AfD auch bei der Landtagswahl in NRW ihren Höhenflug fortsetzt.
Wie ist es um die Sicherheit in NRW bestellt?
Eine der entscheidenden Sachfragen ist die Sicherheitspolitik. Im März wird ein neues Verfassungsschutzgesetz in Kraft treten. «Mehr Kriege, Krisen und Konflikte fordern auch mehr Können für unsere Sicherheitsbehörden», begründete NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) die Novelle. Gleichzeitig steige die rechtsstaatliche Kontrolle der Maßnahmen.
Was steht im Fokus der Polizei?
Gleich im ersten Quartal soll die Öffentlichkeit über neue Tendenzen im Linksextremismus informiert werden: Der Minister stellt im März dazu ein aktuelles Lagebild vor. Linksextremismus zeigt sich laut Reul teilweise in neuen Formen: «weniger Straßenschlachten, dafür wird mehr digital mobilisiert und die Ideologie subtiler gespielt».
Ist die Polizei im Netz noch auf Augenhöhe?
«Cyber-Cops sind unsere Antwort auf die Kriminalitätsverschiebung in den digitalen Raum», lautet die Antwort des Innenministers. «Erpressung, Identitätsbetrug, Drogenhandel oder Kinderpornografie sind alles Delikte, die sich mittlerweile primär online abspielen.»
Hinzu komme eine steigende Zahl von Hacker-Angriffen auf Unternehmen und Behörden. Die ersten Bachelor-Absolventen des Studiengangs Cyberkriminalistik/Digitale Forensik werden im Herbst fertig und sollen ihre Expertise einbringen.
Ist NRW krisenfest?
Mit einem neuen Gesetz will die Landesregierung den Brand- und Katastrophenschutz auf ein modernes Fundament stellen, damit das Land künftig besser gewappnet ist gegen Feuer, Fluten und Unwetter. «Die Erfahrungen aus den Hochwassern 2021 zeigen uns, wie wichtig klare Zuständigkeiten, Risikoanalysen und abgestimmte Abläufe sind», sagte Reul der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf.
Wird die Kita-Betreuung verlässlicher?
Jedenfalls werden nach Angaben des Familienministeriums im neuen Kita-Jahr zusätzlich 200 Millionen Euro pauschal als freiwillige Leistung bereitgestellt für eine Personaloffensive und stabilere Finanzen in der Kita-Landschaft. Mit insgesamt rund 6,2 Milliarden Euro will die Landesregierung im kommenden Jahr mehr Geld in die frühkindliche Bildung investieren als je zuvor. Die SPD hält das System dennoch für unterfinanziert. Die kommunalen Spitzenverbände haben bereits betont, sie hätten kein Geld mehr für weiter steigende Kita-Kosten.
Was bringt die Reform des Kinderbildungsgesetzes?
Ab 2026 sollen Kitas Kern- und Randzeiten einführen, für die unterschiedliche Personalstandards gelten. Die Einrichtungen sollen eigenverantwortlich festlegen, wie viele Fachkräfte sie etwa in Bring- und Abholzeiten einsetzen. Die Kernzeit liegt bei mindestens fünf Stunden am Tag. Eltern sollen Betreuungszeiten künftig in Fünf-Stunden-Schritten buchen können, also flexibler als bisher. Die Grenzen für die Gruppengrößen werden aufgeweicht. Die Opposition befürchtet Qualitätsverluste.
Gibt es Unterstützung für die Jüngsten in sozialen Brennpunkten?
NRW will als erstes Bundesland einen Kita-Sozialindex einführen. Durch eine bessere Ausstattung von Einrichtungen in sozial schwachen Gebieten sollen die Chancen der Kinder dort verbessert werden.
Wie schützt der Staat vor Diskriminierung?
In der zweiten Jahreshälfte soll dazu eine Gesetzesnovelle in Kraft treten. Demnach soll es allen Landesstellen verboten sein, jemanden etwa aufgrund von antisemitischen oder rassistischen Zuschreibungen, Nationalität, Herkunft, Religion, Geschlecht, Sexualität, Behinderungen oder Alter zu diskriminieren – zum Beispiel bei einer Job-Bewerbung. Betroffene sollen besser beraten und bei rechtlichen Schritten unterstützt werden.
Was tut die Regierung für mehr bezahlbaren Wohnraum?
Eine Novellierung der Landesbauordnung soll Bauen im Bestand erleichtern und etliche Vorschriften entrümpeln. Außerdem soll das Wohnraumstärkungsgesetz verschärft werden, damit Kommunen noch mehr Rechte erhalten, gegen schwarze Schafe am Immobilienmarkt vorzugehen. Aus Sicht der SPD betreibt die Landesregierung Mieterschutz «nur mit angezogener Handbremse».
Kann man ein Unternehmen innerhalb von 24 Stunden gründen?
Genau das ist jedenfalls der Plan von NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne). NRW arbeite derzeit daran, als bundesweiter Vorreiter Unternehmensgründungen mit nur einem Antrag innerhalb von 24 Stunden möglich zu machen, kündigte ihr Haus an. Für 2026 sei hierzu ein Gesetzentwurf geplant. Generell werde ein weiteres Entlastungspaket zum Bürokratieabbau in NRW Planungen und Genehmigungen beschleunigen – etwa für neue Windkraftanlagen.
Wie weit ist der Strukturwandel im Rheinischen Revier?
Aus Sicht der Wirtschaftsministerin wird 2026 ein entscheidendes Jahr, um zu zeigen, dass der Strukturwandel gelingt, wenn die Betroffenen stärker einbezogen werden. Mit dem sogenannten Bürgerrat startet dazu ein neues Format direkter Beteiligung. Die Teilnehmenden werden per Losverfahren ausgewählt. Ziel ist es, die Akzeptanz für den Strukturwandel im Rheinischen Revier zu stärken. Dafür sieht Neubaur gute Gründe: «Trotz des Rückgangs im Bergbau wächst die Beschäftigung in der Region», sagte sie der dpa.
Wird das Industrieland NRW immer stärker zubetoniert?
Das soll die dritte Änderung des Landesentwicklungsplans verhindern, die 2006 in Kraft treten wird. Damit soll der Flächenverbrauch für Siedlungs- und Verkehrszwecke auf fünf Hektar pro Tag begrenzt werden. In den vergangenen Jahren waren nach Zahlen des Wirtschaftsministeriums etwa 6,5 Hektar, also 65.000 Quadratmeter Fläche pro Tag verbraucht worden.
Wann kommen die Kommunen endlich aus der Schuldenfalle?
2026 soll endlich eine bundesgesetzliche Regelung zur Teilentschuldung besonders betroffener Kommunen kommen. Der Landtag hatte bereits beschlossen, dass aus dem NRW-Etat über die kommenden 30 Jahre kommunale Kassenkredite in Höhe von rund 7,5 Milliarden Euro übernommen werden.
