Doha (dpa/lnw) – In Sachen Frauenanteil haben sich die Katarer knapp durchgesetzt gegen die Gäste aus Deutschland: 18 Männer sitzen auf der einen Seite des Tisches im Saal der katarischen Handelskammer, darunter Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Eine Frau ist zwischen ihnen, Astrid Lambrecht vom Forschungszentrum Jülich. Auf der anderen Seite des Tisches sitzen Geschäftsleute aus Katar: 17 Männer und zwei Frauen. Es ist ein Bild, aus dem man bei Wüsts Reise in die arabische Region Ähnlichkeiten zwischen Katar und Nordrhein-Westfalen ableiten und zu einer ernüchternden Gender-Erkenntnis kommen könnte: Business ist noch immer Männersache, zumindest auf dem obersten Level.
Treffen mit dem Emir und anderen Politikern
Auf der Reise in den öl- und gasreichen Wüstenstaat mit drei Millionen Einwohnern wird der CDU-Politiker empfangen von Katars Emir, vom Premierminister und von den Ministern für Industrie und Energie. Und das, obwohl Wüst weder Staatsoberhaupt noch Bundesminister ist.
Eigentlich sind solche Reisen ja Berliner Sache: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) war 2022 in Katar, um einen Gasdeal abzuschließen. Unlängst war Bundesfinanzminister Jörg Kukies (SPD) in Doha, und die für Sport zuständige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) war Ende 2022 im Rahmen der Fußball-WM mehrfach in dem islamischen Wüstenstaat.
Das ist lange her und Faeser ist bei der Wüst-Reise natürlich nicht dabei. Und doch ist die Sozialdemokratin irgendwie präsent bei der Reise. Das liegt an Faesers Auftritten in Doha im Jahr 2022: Noch vor dem Beginn der WM war sie dorthin gereist, um Menschenrechtsfragen anzusprechen, etwa den Schutz von queeren Menschen vor Diskriminierung.
Später saß Faeser beim WM-Auftaktspiel auf der Tribüne und trug dort demonstrativ die «One Love»-Binde – eben jene Binde, die die Fifa als Kapitänsbinde auf dem Platz verboten hatte. Faesers Verhalten empfanden Katerer als Affront, den sie auch zweieinhalb Jahre später nicht vergessen haben. Damit habe Deutschland Vertrauen verspielt, ist von Katarern am Rande der Wüst-Reise zu hören. Und Vertrauen sei nun mal das Fundament für eine gute Partnerschaft zwischen zwei Staaten.
Katarer sind freundlich, aber auch kritisch
Um genau diese Partnerschaft geht es Wüst. Er hofft auf gute Kontakte und Geschäfte für Nordrhein-Westfalens Industrie, die im Umbruch ist und nicht nur Investitionen, sondern billige Energie und Wasserstoff braucht. Katar könnte dabei helfen. Schon jetzt ist der Wüstenstaat stark investiert in deutsche Firmen, am Energiekonzern RWE hält der katarische Staatsfonds etwa 9,1 Prozent der Anteile. Weitere arabische Finanzspritzen oder lukrative Geschäfte in Katar mit deutscher Beteiligung könnten helfen, damit Nordrhein-Westfalens angeschlagene «Old Economy» in die Spur findet.
Das Porzellan, das die Sozialdemokratin Faeser wohl zerschlagen hat in Katar, möchte der Christdemokrat Wüst wieder kitten. «Ich stelle niemanden bloß, um innenpolitisch zu punkten», betont er. Bei den politischen Gesprächen in Katar habe er «kulturelle Unterschiede» und «das ganze Thema Menschenrechte» zwar angesprochen. Aber das habe er auf eine respektvolle Art getan. «Das kann man tun, das muss man auch tun – in einer Art und Weise, die die Zusammenarbeit miteinander nicht belastet.»
Manager bewerben ihre Firmen
Begleitet wird Wüst von einer Entourage von mehr als einem Dutzend Managern aus Nordrhein-Westfalen, hinzu kommen noch Wissenschaftler, Diplomaten und Verbandsvertreter. Bei dem Treffen in der Handelskammer Katars schwärmen die Deutschen einer nach dem anderen in den höchsten Tönen von Nordrhein-Westfalen, einer Industrieregion im Umbruch, die enorme Chancen biete, so die Darstellung.
«Wir wollen von Kohle zur Künstlichen Intelligenz», sagt Wüst. Man wolle die NRW-Wirtschaft in «eine neue Ära des Wachstums» hieven. Er sei davon überzeugt, dass Nordrhein-Westfalen zur Erfüllung von Katars Zukunftsvision beitragen und umgekehrt Katar Nordrhein-Westfalens Zukunft positiv beeinflussen könne. Felix Neugart von der Investmentagentur NRW.Global Business nennt NRW ein «wirtschaftliches Kraftzentrum». Die heimischen Möglichkeiten des IT-Bereichs samt Künstlicher Intelligenz, der Biotechnologie sowie der Luft- und Raumfahrt seien groß.
Aber ist es wirklich so verlockend, in Nordrhein-Westfalens Wirtschaft zu investieren? Restlos überzeugt scheinen einige Katerer nicht zu sein. Einer von ihnen meldet sich zu Wort und stellt Europas Wettbewerbsfähigkeit infrage. Ein anderer moniert, Deutschlands Haltung etwa zu Palästina sei schlecht fürs Geschäft, weil dadurch deutsche Produkte im arabischen Raum weniger gefragt seien. Ein Dritter wiederum ärgert sich über restriktive Visaregeln.
Alles in allem ist die Haltung der Katarer freundlich, es fallen Sätze wie «Wir sind Brüder» und «Lasst uns den Weg zusammen gehen». Und dennoch machen ihre Wortmeldungen deutlich: Ein Selbstläufer ist es für Nordrhein-Westfalens Industrie nicht, mit ihnen gut ins Geschäft zu kommen.
An der Seite von Wüst sitzen unter anderem die Chefs der Energiekonzerne Uniper und RWE, Michael Lewis und Markus Krebber, sowie von Thyssenkrupp, Miguel Ángel López Borrego. Sie stellen sich den Katarern vor und betonen ihre Verbundenheit mit dem Land.
Eine Thyssenkrupp-Tochter baut in Katar eine Produktionsanlage für Ammoniak, das beim Transport von Wasserstoff benötigt wird. Er wolle die Kooperation mit Katar verstärken, so der Thyssenkrupp-Chef. «Zusammen können wir einen wichtigen Beitrag zum industriellen Fortschritt und zum Klimaschutz leisten.» Am Donnerstag geht die Reise weiter nach Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten.