Ratingen | Es war ein Abend, an dem man beinahe spüren konnte, wie sehr ein Thema Menschen bewegen kann, selbst wenn die globale Nachrichtenlage derzeit anderes diktiert. Fast 1000 Besucherinnen und Besucher fanden sich gestern zur Jubiläumsveranstaltung anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Klimabeirates der Stadt Ratingen ein. Zwar war der Saal nicht bis auf den letzten Platz gefüllt, doch wer dort war, tat es mit einer Mischung aus Interesse, Ernsthaftigkeit und spürbarer Erwartung.
Ein Auftakt mit klaren Worten
Gleich zu Beginn begrüßte Ulrich Otte, Vorsitzender des Klimabeirats, die Anwesenden mit einer Beobachtung, die im Saal sofort Zustimmung fand: Klimafragen seien in jüngster Zeit medial zwar etwas nach hinten gerutscht, verdrängt durch geopolitische Spannungen und internationale Krisen. „Aber das Thema ist lange nicht abgearbeitet“, sagte Otte und deutete mit einer einladenden Geste auf die fast tausend Menschen vor ihm. „Die Resonanz heute Abend zeigt das ganz deutlich.“
Otte erinnerte daran, wie der Klimabeirat seinerzeit in Ratingen entstanden war: vor 26 Jahren, initiiert von der ebenfalls anwesenden Edith Feltgen, die vielen als engagierte Mitbegründerin des Klimabündnisses und heutige Ehrenvorsitzende bekannt ist. Feltgen gehört zu jenen Personen, die den Begriff Klimaschutz in Ratingen geprägt haben, lange bevor er in aller Munde war. Ihr Einsatz über Jahrzehnte hinweg, beharrlich und fachlich versiert – bildet bis heute ein Fundament der lokalen Klimapolitik.
Bürgermeister verhindert – Otte übernimmt
Die ursprünglich vorgesehenen persönlichen Grußworte des Bürgermeisters mussten entfallen. Patrick Anders war noch in der konstituierenden Ratssitzung eingebunden. So las Ulrich Otte die Worte stellvertretend vor. Es passte damit auch zum Abend: unaufgeregt, pragmatisch – und doch tief im Thema verankert.
Dann betritt Sven Plöger die Bühne
Punktgenau leitete Otte über zum Programmhöhepunkt. Sven Plöger, einer der bekanntesten Meteorologen Deutschlands, betrat gut gelaunt die Bühne. Die Stimmung im Saal kippte unmittelbar von höflicher zu gespannter Aufmerksamkeit.
Gleich zu Beginn erzählte Plöger eine Anekdote, die das Publikum zum Schmunzeln brachte: Die Einladung sei ihm besonders aufgefallen, weil darin der Name „Ulrich Otte“ gestanden habe. „Der ist ja in der Meteorologie nicht ganz unbekannt, und ein Allerweltsname wie Sven Plöger sei es ja auch nicht“, sagte Plöger lachend. Also habe er nachgesehen – und festgestellt, dass es sich tatsächlich um „seinen“ Otte aus der Ausbildungszeit handelte. „Da war klar: Ich komme nach Ratingen.“
Nach einer – wie Plöger trocken anmerkte – „üblichen Odyssee“ mit dem ÖPNV, sei er froh gewesen, endlich nicht nur über den Fernseher kommunizieren zu müssen, sondern vor echten Menschen in Ratingen sprechen zu können. Das Publikum mochte ihn dafür sofort.
Ein Vortrag, der die Zeit vergessen ließ
Was folgte, war ein fast zweistündiger, ungemein fesselnder Vortrag, der dem Abend Tiefe und Klarheit verlieh. Plöger spannte einen Bogen von der kleinen Eiszeit bis zu den aktuellen Extremwetterereignissen. Geschickt verstand er es, scheinbar lose Puzzleteile – physikalische Effekte, klimatische Kipppunkte, atmosphärische Prozesse – in ein Gesamtbild einzuordnen.
Eine seiner Kernbotschaften: Was nicht zusammenhängend wirkt, kann in der Summe eine nichtlineare, sich selbst verstärkende Dynamik entwickeln. Ein Satz, den viele im Saal sich wohl innerlich markierten.
Er erklärte, wie menschliches Handeln unbestreitbar Einfluss auf die Geschwindigkeit der Veränderungen habe: „Selbst wenn nicht alles menschengemacht ist – die Beschleunigung ist es. Und die macht den Unterschied.“ Dieser zeitliche Aspekt sei es, der aus einer Entwicklung eine Krise machen könne.
„Wir müssen mit der Einstellung an den Start gehen, dass wir etwas bewegen können“
Besonders eindringlich war Plögers Appell zur persönlichen Verantwortung. Mit ruhiger, aber entschiedener Stimme widersprach er der verbreiteten Haltung, der Einzelne könne ohnehin nichts ändern. „Wir müssen mit der Einstellung an den Start gehen, dass wir etwas bewirken können. Sonst macht es keinen Sinn, an dem Rennen überhaupt teilzunehmen.“
Mit Blick auf erneuerbare Energien betonte er die Notwendigkeit, Investitionen nicht nach kurzfristigen Kosten zu bewerten. „Jeder Euro, den wir in nicht nachhaltige Energie stecken, kostet uns in Zukunft das Zwei- bis Elffache.“ Ein Satz, nach dem es im Saal für einen Moment besonders still wurde.
Ein Publikum, das bis zum Schluss blieb
Obwohl sein Vortrag sich über fast zwei Stunden erstreckte, blieb das Publikum aufmerksam, ja geradezu gebannt. Nach dem offiziellen Teil trat Plöger vor die Bühne und nahm sich Zeit für viele Fragen der Bürgerinnen und Bürger. Es entstand ein lebendiger Austausch, kein erhobener Zeigefinger, sondern ein Gespräch auf Augenhöhe.
Ein Abend, der bleibt
Die Jubiläumsveranstaltung zum 25-jährigen Bestehen des Klimabeirats zeigte eindrucksvoll, wie lebendig und relevant der Klimadiskurs in Ratingen ist. Der Beirat – entstanden aus bürgerlichem Engagement – hat sich zu einem wichtigen und respektierten Fürsprecher entwickelt. Und es wurde deutlich, dass Menschen wie Edith Feltgen, Ulrich Otte und eben auch ein Sven Plöger dazu beitragen, dass dieses Thema Kraft, Tiefe und Perspektive erhält.
Wer an diesem Abend im Saal war, dürfte mit dem Gefühl hinausgegangen sein, nicht nur einem Vortrag beigewohnt, sondern ein Stück Zukunftsarbeit erlebt zu haben. Auch die von Plöger thematisierte „kognitive Dissonanz“ auf die hypothetische Weltraumbesucher treffen würden, sei damit nicht beseitigt, aber in ihrer Ausbreitung gehemmt. „Wenn jeder das was er kann dazu beiträgt,“, so Plöger, „ist es für das Leben auf unserem Planeten auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung“.

