Kulturdezernent und Erster Beigeordneter Patrick Anders, Sarah Gonschorek (Frauenrat NRW), Prof. Dr. Petia Genkova (Frauenrat NRW),Stadtarchivar Dr. Sebastian Barteleit, Gleichstellungsbeauftrage Nadine Mauch, Bild: Alexander Heinz
Kulturdezernent und Erster Beigeordneter Patrick Anders, Sarah Gonschorek (Frauenrat NRW), Prof. Dr. Petia Genkova (Frauenrat NRW),Stadtarchivar Dr. Sebastian Barteleit, Gleichstellungsbeauftrage Nadine Mauch, Bild: Alexander Heinz

Ratingen | Ein „FrauenOrt“ in Erinnerung an Dr. Hilde Bruch wurde am 4. September feierlich eingeweiht. Gäste aus Politik, Kultur und Zivilgesellschaft kamen im Museum Ratingen zusammen und würdigten die jüdische Kinderärztin und Psychoanalytikerin, die 1932 in Ratingen praktizierte und später in den USA zur international anerkannten Expertin für Essstörungen wurde. Die Erinnerungsplakette wird in kürze an der Mauer des Minoritenklosters angebracht – in Sichtweite des früheren Standorts ihrer Praxis am Marktplatz. „FrauenOrte NRW“ ist ein Projekt des Frauenrates NRW, mit dem herausragende Lebenswege von Frauen aus unterschiedlichen Epochen sichtbar gemacht werden.


Dr. Hilde Bruch, geboren am 11. März 1904 in Dülken als Brunhilde Bruch, war die dritte von sieben Kindern einer jüdischen Familie; die Eltern betrieben ein Viehhandelsgeschäft. Nach dem Abitur in Mönchengladbach studierte sie Medizin und promovierte 1928. Erste berufliche Stationen führten sie an eine Frauenklinik in Düsseldorf sowie an Kliniken in Kiel und Leipzig. Mit 28 Jahren eröffnete sie eine Praxis als Kinderärztin in Ratingen.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde ihr berufliches Wirken in Ratingen gezielt unterbunden: Durch eine Zurückstufung ihrer Qualifikation, die Behauptung, in Ratingen brauche es keine Kinderärztin, und das Aufstellen von Wachen vor ihrer Praxis machten die Behörden und Parteidienststellen ihr das Arbeiten unmöglich. Hilde Bruch gab daraufhin ihre Praxis auf und verließ Deutschland. Zunächst emigrierte sie nach England, 1934 weiter in die USA.

In New York eröffnete sie eine psychoanalytische Privatpraxis, lehrte an der Columbia University und spezialisierte sich auf Essstörungen – ein Feld, in dem sie weltweit Maßstäbe setzte. 1964 erhielt sie eine Professur für Psychiatrie am Baylor College of Medicine in Houston, Texas. Seit 1984, ihrem Todesjahr, wird an der Baylor University in Waco jährlich der „Hilde Bruch Award for Excellence in Psychiatry“ verliehen.

Frauen haben Geschichte geschrieben – in Kunst, Politik, Wissenschaft, Wirtschaft oder Gesellschaft“, sagte Prof. Dr. Petia Genkova vom Frauenrat NRW. „Mit den FrauenOrten erzählen wir diese Geschichten endlich auch sichtbar vor Ort.“ Insgesamt 52 Erinnerungszeichen wurden landesweit bereits geschaffen.

Der Ratinger Stadtarchivar Dr. Sebastian Barteleit zeichnete bei der Feierstunde Bruchs Lebensweg nach und ordnete die Ereignisse in Ratingen historisch ein. Kulturdezernent Patrick Anders betonte in seinem Grußwort: „Wie gern würde ich hier und heute die Leistung dieser wissenschaftlichen Pionierin ein wenig auch für Ratingen reklamieren! Das aber wäre geschichtsvergessen. Auch Ratingen war 1933 für Menschen jüdischen Glaubens kein Ort der Inspiration, sondern feindselig und gefährlich.“ Gerade deshalb sei diese Ehrung wichtig, denn sie erinnere nicht nur an eine beeindruckende Frau, sondern mahne, „dass wir niemals aufhören dürfen, für essenzielle Werte wie Weltoffenheit und Toleranz einzutreten“.

Die städtische Gleichstellungsbeauftragte Nadine Mauch, die den FrauenOrt für Dr. Hilde Bruch vorgeschlagen hatte, hob hervor: „Hilde Bruchs Mut und ihre wissenschaftliche Weitsicht sind uns bis heute ein Vorbild. Wir können stolz darauf sein, daß es immer schon Frauen gab die nicht gefragt haben ob sie dürfen, sondern einfach gemacht haben was sie können“.

Es ist bereits der zweite FrauenOrt in Ratingen: Im Juli wurde im LVR-Industriemuseum Cromford Sophie Brügelmann gewürdigt, die im 18. Jahrhundert nach dem Tod ihres Mannes erfolgreich die erste deutsche Textilfabrik leitete. „Ratingen reiht sich damit in jene Städte ein, die mehr als eine herausragende Frau in den Fokus rücken. Diese Frauen haben im öffentlichen Leben, in Wirtschaft und Kultur oder im stillen Wirken im Hintergrund Spuren hinterlassen, die wir jetzt sichtbar machen.“ erklärt Nadine Mauch diese Tatsache.