Die Baustelle Richtung Velbert ist zwar bald Geschichte, aber je länger der Weg desto größer die Gefahr für die Gesundheit der Menschen die auf eine Notfallpraxis angewiesen sind, Bild: Alexander Heinz
Die Baustelle Richtung Velbert ist zwar bald Geschichte, aber je länger der Weg desto größer die Gefahr für die Gesundheit der Menschen die auf eine Notfallpraxis angewiesen sind, Bild: Alexander Heinz

Ratingen | Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein stellt zum 30. November die ambulante Notdienstversorgung in Ratingen ein. Ab dem 1. Dezember soll der allgemeine ärztliche Notdienst zentral über das Evangelische Krankenhaus in Mettmann organisiert werden. Nach gängigen Routenplanern liegt die Entfernung zwischen Ratingen-Mitte und der Notaufnahme in Mettmann bei rund 11 bis 12 Kilometern (Richtwert). Auch nach Düsseldorf-Kaiserswerth, wo Patientinnen und Patienten auf die dortige Ambulanz ausweichen könnten, sind es von Ratingen-Mitte aus rund 9 Kilometer Fahrdistanz; nach Velbert etwa 16 bis 17 Kilometer (Richtwerte). Die KVNO verweist in einem Schreiben an die Stadt auf eine modellbasierte Analyse des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung, die zu dem Ergebnis gekommen sei, dass eine zentrale Anlaufstelle mit Anbindung an eine Klinikambulanz die Versorgung langfristig am besten sicherstellen könne. Konkrete Zahlen, Tabellen oder Fallströme legte die KVNO der Stadt nach Angaben aus dem Rathaus in ihrem Schreiben jedoch nicht vor.


Neustrukturierung im Kreis Mettmann als Begründung

Die KVNO argumentiert, dass die Neuordnung des ambulanten Notdienstes im gesamten Kreisgebiet notwendig sei, um künftige Versorgungslasten zu bündeln. In dieses Konzept falle auch Ratingen. Die Interimslösung in Ratingen sei nach der Insolvenz und Schließung des St.-Marien-Krankenhauses nie als dauerhafte Struktur angelegt gewesen. Die KVNO zieht sich dabei auf das Ergebnis der oben genannten Analyse zurück, die — so heißt es im Schreiben an das Rathaus — reale Patientenströme, Fahrzeitberechnungen und infrastrukturelle Faktoren berücksichtigt habe. Die zentrale Lage in Mettmann sowie die direkte Anbindung an eine stationäre Klinikambulanz würden, so die KVNO, eine zukunftssichere Betreuung gewährleisten. Eine Auflistung der berücksichtigten Parameter oder der zugrunde liegenden Messwerte enthält das Schreiben nicht.

Städtische Kritik an Verfahren und Folgen

Der Erste Beigeordnete Patrick Anders hatte nach eigenen Angaben mit Unverständnis auf erste Hinweise zur bevorstehenden Entscheidung reagiert und den KVNO-Vorstandsvorsitzenden Dr. Frank Bergmann in einem Schreiben zu einer kurzfristigen Aufklärung aufgefordert. Die Stadt habe weder belastbare Datengrundlagen noch zwingende rechtliche Gründe erhalten, die eine Aufgabe der Notdienstversorgung vor Ort plausibel erscheinen ließen. Der Erste Beigeordnete Patrick Anders betont nach Angaben aus dem Rathaus, eine Schließung der Notfallpraxen — sowohl für Erwachsene als auch im pädiatrischen Bereich — sei für die Ratinger Bevölkerung schwer nachvollziehbar; sie habe eine erhebliche Bedeutung für die wohnortnahe Betreuung und entlaste bislang die umliegenden Krankenhausambulanzen. Der Erste Beigeordnete Patrick Anders führt weiter aus, der neue Standort in Mettmann sei für den überwiegenden Teil der Ratinger Bevölkerung weder mit dem PKW noch mit dem ÖPNV gut erreichbar.

Bürgermeister Klaus Pesch trägt den Angaben zufolge die Linie des Ersten Beigeordneten Patrick Anders mit und hatte den KVNO-Vorstandsvorsitzenden Dr. Frank Bergmann zur kommenden Ratssitzung am 28. Oktober eingeladen, damit dieser vor dem Gremium die Hintergründe der Entscheidung erläutert. Gleichzeitig kündigt die Stadtspitze an, sich weiterhin für den Erhalt einer ambulanten Notdienststruktur in Ratingen einzusetzen und die vorgelegte Neuordnung nicht ohne weiteres hinzunehmen.

Die KVNO hat sich bislang nicht dazu geäußert, ob sie der Einladung in den Rat folgt. Nach Angaben aus dem Rathaus wurde das Schreiben der Stadt an den KVNO-Vorstandsvorsitzenden Dr. Frank Bergmann mit der Bitte um Stellungnahme fristgerecht versandt. Eine Antwort, ob der KVNO-Vorstand die Einladung zur Ratssitzung annimmt oder eine Vertretung entsendet, lag der Stadt zum Zeitpunkt der Ankündigung nicht vor.

Unabhängig vom weiteren Verlauf verweist die Stadt darauf, dass die ambulante Notdienstversorgung bislang einen Beitrag zur Entlastung der umliegenden Notaufnahmen geleistet habe. Nach Darstellung des Ersten Beigeordneten Patrick Anders sei zu erwarten, dass Patientinnen und Patienten künftig auf Notaufnahmen in Düsseldorf-Kaiserswerth oder Velbert ausweichen, wenn der neue Standort in Mettmann für viele Ratingerinnen und Ratinger schwer erreichbar sei. Die Stadtspitze geht davon aus, dass dadurch zusätzliche Belastungen an den dortigen Klinikstandorten eintreten könnten.

Die KVNO hält dagegen an der zentralen Lösung in Mettmann fest. In dem Schreiben an die Stadt heißt es nach Angaben aus dem Rathaus, die Entscheidung sei auf Basis der genannten Analyse gefällt worden und diene einer langfristig planbaren Struktur im Kreisgebiet. Die Interimslösung in Ratingen habe aus Sicht der KVNO weder infrastrukturell noch organisatorisch die Voraussetzungen für eine dauerhafte Notdienstversorgung erfüllt.

Die Stadt Ratingen kündigte an, den Vorgang weiterhin politisch zu begleiten. Der Erste Beigeordnete Patrick Anders und Bürgermeister Klaus Pesch wollen den Vorgang im Rat beraten lassen. Eine abschließende Entscheidung über das weitere Vorgehen soll dem Schreiben zufolge nach der Stellungnahme der KVNO in der Ratssitzung getroffen werden.