
Ratingen Hösel | Literatur kann lehren, erklären, unterhalten – und zum Denken anregen. Dass all dies auch in konzentrierten Portionen möglich ist, bewies Literaturkritiker Dennis Scheck bei seinem Auftritt in Hösel. Auf Einladung des Kulturkreises Hösel präsentierte er einem rund 90-köpfigen Publikum einen ebenso kenntnisreichen wie kurzweiligen literarischen Streifzug durch seine persönlichen Lieblingsbücher – und machte den Abend zu einem besonderen Erlebnis für Literaturfreunde.
In insgesamt fünf Viertelstunden stellte Scheck nicht weniger als 37 Bücher vor, die er selbst als „besprechenswert“ bezeichnete. Der Begriff ist bei ihm bewusst gewählt: Nicht jedes Buch verdient Aufmerksamkeit, so seine oft vertretene Überzeugung. An diesem Abend jedoch ging es ausschließlich um Titel, die ihn geprägt, bewegt oder nachhaltig beeindruckt haben. Verrisse suchte man folgerichtig vergeblich – was der Spannung des Abends keinerlei Abbruch tat.
Im Gegenteil: Scheck verstand es meisterhaft, jedem Buch in wenigen Minuten ein eigenes Profil zu verleihen. Mit knappen Inhaltsangaben, überraschenden Beobachtungen und präzisen Hinweisen auf stilistische oder erzählerische Besonderheiten öffnete er dem Publikum Türen zu ganz unterschiedlichen literarischen Welten. Mal lag der Reiz in der Sprache, mal in der Konstruktion, mal im historischen oder gesellschaftlichen Kontext. Literatur erschien so nicht als trockener Pflichtstoff, sondern als lebendige Begegnung.
Besonders wirkungsvoll waren die Anekdoten aus Schecks eigenem Leben, die er immer wieder beinahe beiläufig einfließen ließ. Sie verliehen den Besprechungen eine persönliche Note und machten deutlich, dass Lesen für ihn mehr ist als professionelle Analyse. „Ich liebe das, was ich tue“, ließ sich zwischen den Zeilen deutlich erkennen – und diese Freude übertrug sich spürbar auf das Publikum. Das Eintauchen in die Gedankenwelt eines Autors, dieses zeitweilige Mitdenken und Miterleben, wurde zu einem zentralen Motiv des Abends.
Obwohl Dennis Scheck als Kritiker für pointierte Urteile und scharfe Formulierungen bekannt ist, blieb der Ton an diesem Abend durchweg respektvoll und wertschätzend. Auch über den Literaturbetrieb selbst sprach er mit jener Mischung aus Ironie und Ernst, die sein Markenzeichen ist. So griff er kurz die Vielzahl von Literaturpreisen und Ehrungen auf – insbesondere in Deutschland. Seine lapidare Bemerkung zu einer letztlich an ihn selbst vergebenen Auszeichnung sorgte für Heiterkeit:
„Es gibt mittlerweile so viele Preise, dass man wohl nicht daran vorbeikam, mir auch einen zu geben.“
Ein Verkaufsabend sollte die Veranstaltung ausdrücklich nicht sein – und doch war Literatur ganz konkret greifbar. Die Buchhandlung Rose Schlüter aus Hösel hatte alle lieferbaren Titel aus Schecks Besprechung zusammengestellt und präsentierte sie zum Stöbern und Kaufen. Ein Service, der vom Publikum dankbar angenommen wurde. Wer an diesem Abend neugierig geworden war, konnte die Bücher direkt in die Hand nehmen oder sich kompetent beraten lassen. Sowohl in Hösel als auch in der Filiale in Lintorf steht eine vollständige Liste der empfohlenen Titel zur Verfügung.
Dass die Mitarbeiterinnen der Buchhandlung aufmerksam zuhörten und kein Wort verpassten, erwies sich im Nachgang als zusätzlicher Gewinn: Beratung aus erster Hand, gespeist aus der Erinnerung an einen besonderen Literaturabend.
Nach dem Vortrag stellte sich Dennis Scheck geduldig den Fragen des Publikums. Auch hier zeigte er sich offen, differenziert und humorvoll. Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln habe ihm zwar ein wenig Nerven gekostet, räumte er ein – die Aufmerksamkeit und Resonanz des Höseler Publikums jedoch mehr als wettgemacht.
Mit dieser Veranstaltung bewies der Kulturkreis Hösel einmal mehr ein feines Gespür für Themen und Persönlichkeiten, die auf großes Interesse stoßen. Seit Jahren bereichert er das kulturelle Leben im Stadtteil mit einem vielseitigen Programm aus Literatur, Musik, Vorträgen und Begegnungen. Der Abend mit Dennis Scheck fügte sich nahtlos in diese Tradition ein – als eindrucksvolles Beispiel dafür, wie anspruchsvolle Kultur zugleich unterhaltsam und zugänglich sein kann.
