Vertreter aus Politik und Verwaltung mit den engagierten Jugendlichen des Kopernikus Gymnasiums, Bild: Alexander Heinz
Vertreter aus Politik und Verwaltung mit den engagierten Jugendlichen des Kopernikus Gymnasiums, Bild: Alexander Heinz

Ratingen | Am heutigen 22. September wurde vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie Wevers in der Kohlstraße 9 in Hösel ein Stolperstein für Lieselotte Wevers verlegt – sie war ein Opfer der nationalsozialistischen Euthanasie. Zeitgleich gedenkt man heute ihres Todes vor 82 Jahren, im Jahr 1943. Die Verlegung fand in würdiger und zugleich bedrückender Atmosphäre statt und soll daran erinnern, dass auch in unserer Stadt Menschen mit Behinderungen als Opfer des NS-Regimes entmenschlicht und ermordet wurden. Es ist der 16. Auf Ratinger Stadtgebiet verlegte Stolperstein. Insgesamt sind über 116.000 Stolpersteine in über 1.860 Kommunen in 31 europäischen Staaten – die überwiegende Mehrzahl davon in Deutschland, bereits verlegt worden.


Die Zeremonie zur Setzung des Stolpersteins wurde begleitet von etwa 35 Personen, die dem Anlass die nötige Aufmerksamkeit und den nötigen Respekt erwiesen. Neben Familie und Bürgerinnen und Bürgern waren auch Vertreterinnen und Vertreter der lokalen Politik und Gedenkstättenarbeit anwesend: Patrick Anders, Kulturdezernent und 1. Beigeordneter der Stadt Ratingen, hielt eine Ansprache und betonte die Bedeutung des Erinnerns in der Gegenwart. Von der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf war Bastian Fleermann dabei, der sich für die Dokumentation der Lebensgeschichte Lieselotte Wevers engagiert hatte. Die Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese nahm ebenfalls teil, ebenso wie Sebastian Barteleit, der Stadtarchivar von Ratingen, und Rolf Wilm Meyer, als Vertreter weiterer lokaler Initiativen zur Erinnerungskultur. Einen besonderen Akzent setzte bei der Gedenkfeier das Engagement junger Menschen. Schülerinnen und Schüler des Kopernikus-Gymnasiums Lintorf hatten sich im Unterricht und in Projekten intensiv mit der Biografie von Lieselotte Wevers auseinandergesetzt. Sie forschten in Archiven, sichteten Dokumente und trugen dazu bei, dass ihre Geschichte nicht vergessen wird. Ihre Anwesenheit bei der Stolpersteinverlegung machte deutlich, dass Erinnerungskultur keine Aufgabe allein für Historikerinnen und Historiker ist, sondern auch von der jungen Generation getragen wird.

Die Verlegung selbst übernahm ein Mitarbeiter der Stadt, der den Stolperstein in den Gehweg einließ – ein symbolischer Akt, der zur alltäglichen Sichtbarkeit des Erinnerns beiträgt. Der Stolperstein trägt Lieselotte Wevers’ Namen und Lebensdaten – ein kleines, aber wichtiges Zeichen im öffentlichen Raum, ein Mahnmal, das Passantinnen und Passanten innehalten lassen soll.

Lieselotte Wevers wurde am 15. April 1931 in Düsseldorf geboren, mit Trisomie 21; sie lebte bei ihren Eltern in Hösel, bis sie in ein Heim in Düsseldorf kam und später im September 1943 in die Einrichtung „Anstalt Kalmenhof“ in Idstein verschleppt wurde. Dort starb sie am 22. September 1943 – vermutlich nicht eines natürlichen Todes. Ihr Schicksal steht exemplarisch für die unzähligen Opfer, denen von den Nationalsozialisten das Recht auf Leben abgesprochen wurde. Ihr Sterben wird nicht als ein Sterben eines Natürlichen Todes bezeichnet sondern aufgrund der Umstände ausdrücklich als Mord.

Patrick Anders verwies in seiner Rede auf die Verantwortung der Gegenwart: „Nicht allein das Erinnern sei entscheidend, sondern auch das Bewahren des Bewusstseins für Menschlichkeit und Würde – besonders im Umgang mit Menschen, die besonders verwundbar sind. Es trifft mich zutiefst, daß dieses Gedenken in der heutigen Zeit durch die geschichtliche und politische Entwicklung nicht nur immer noch aktuell sein muss, sondern auch immer notwendiger erscheint“.  Auch Sebastian Barteleit und Bastian Fleermann knüpften daran an, indem sie betonten, wie wichtig die sorgfältige Aufarbeitung lokaler Geschichte sei, und das Wissen um die entmenschlichte Herangehensweise des totalitären Systems der NS Zeit nicht vergessen werden darf. Vor Ort ergebe sich durch die Stolpersteine eine Brücke zwischen historischem Wissen, persönlichem Gedenken und der Verpflichtung, dass solche Verbrechen nie vergessen werden dürfen, automatisch verneigt man sich in der Betrachtung der Aufschrift, vor den Opfern.

Ein Stolperstein mag klein sein, aber in der Straßenoberfläche eingelassen trägt er eine schwere Botschaft: Lieselotte Wevers wird nun auch hier täglich von Menschen gesehen – von Anwohnerinnen und Anwohnern, von Kindern, die ihren Weg zur Schule gehen, von allen, die zufällig darüber stolpern. Die Erinnerung wird so Teil des Alltags – und ein eindrückliches Mahnmal gegen das Vergessen.