Der Sekretär des ehemaligen Papstes Benedikt XVI., Erzbischof Georg Gänswein, hält eine Messe. Foto: Andrew Medichini/AP/dpa/Archivbild

Rom/Freiburg (dpa) – Eine dürre Pressemitteilung mit eineinhalb Zeilen Text reichte dem Vatikan, um die berufliche Zukunft von Georg Gänswein nach monatelangen Medienspekulationen zu klären. Für den langjährigen Privatsekretär des einstigen deutschen Papstes Benedikt endet damit in Freiburg ein langes Warten. Als Botschafter (Nuntius) wird der 67-jährige Kirchenmann künftig in Vilnius die Interessen des Vatikans in den baltischen Ländern Litauen, Estland und Lettland vertreten.


Der gebürtige Schwarzwälder war vor knapp einem Jahr in seine Heimat zurückgekehrt. Papst Franziskus versetzte damals den einstigen Benedikt-Vertrauten, allerdings ohne ihm ein Amt zu geben. «Ich bin jetzt hier, bin auf der Arbeitssuche, sozusagen», resümierte Gänswein im vergangenen Sommer bei einer Buchvorstellung im Schwarzwaldort Kirchzarten. Der als dezidiert konservativ geltende Erzbischof zeigte in einer launigen Unterhaltung vor Hunderten Zuhörern durchaus Humor und ließ in dem Zusammenhang mit seiner beruflichen Zukunft auch das Wort «Jobcenter» fallen.

Mit seinem Buch «Nichts als die Wahrheit» hatte sich Gänswein für Vatikan-Verhältnisse wohl weit aus dem Fenster gelehnt – so enthüllte er die angeblich letzten verständlichen Worte von Benedikt XVI. («Signore, ti amo!» – «Herr, ich liebe dich!»).

Angespanntes Verhältnis zu Papst Franziskus

Gänswein veröffentlichte das Buch unmittelbar nach dem Tod des Papstes im Dezember 2022, es gelangte in Deutschland bis auf Platz eins der Sachbuch-Bestsellerliste. Darin äußerte sich Gänswein enttäuscht über Franziskus und veröffentlichte teils private Briefe. Franziskus warf dem Deutschen seinerseits in einem anderen Buch einen «Mangel an Menschlichkeit» vor und beschuldigte ihn, Unwahrheiten über ihn verbreitet zu haben.

Gänswein steht in seinem neuen Amt als Nuntius im Baltikum keine einfache Aufgabe bevor, wie Vatikankenner meinen. Insbesondere seit Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine sorgen sich auch Litauen, Lettland und Estland um ihre Sicherheit. Die baltischen Staaten gehörten noch bis 1990 zur Sowjetunion und sind wegen ihrer geografischen Nähe zu Russland in dem Krieg im Fokus. Das Baltikum ist daher geopolitisch gesehen von großer Bedeutung für den Papst, der seit Februar 2022 kaum eine Gelegenheit auslässt, für Frieden und Abrüstung zu werben.

Baltikum für EU und Deutschland wichtig

Die drei Länder im Nordosten Europas sind nicht nur für den Vatikan, sondern auch für Deutschland und die EU strategisch besonders wichtig. Als Reaktion auf die veränderte Sicherheitslage in Europa sagte die Bundesregierung zu, einen gefechtsbereiten, eigenständig handlungsfähigen Kampfverband fest in Litauen zu stationieren. Die Brigade soll bis 2027 einsatzfähig sein, vorgesehen ist eine dauerhafte Präsenz von etwa 4800 Soldaten sowie rund 200 zivilen Bundeswehrangehörigen.

Die katholische Kirche ist in Litauen, Lettland und Estland unterschiedlich aufgestellt. Litauen ist vor allem römisch-katholisch geprägt, die Bevölkerung Lettlands hingegen vornehmlich evangelisch-lutherisch. In Estland ist die katholische Kirche noch schwächer als in Lettland vertreten: Die Esten bekennen sich überwiegend zu keiner Religion oder zur evangelischen oder orthodoxen Kirche. In allen drei Ländern gibt es zudem größere russische Minderheiten, die den vornehmlich russisch geprägten orthodoxen Kirchen nahestehen.

Lange Karriere in Rom

Der einstige Vatikan-Spitzenmann Gänswein wurde in Riedern am Wald als eines von fünf Kindern eines Schmieds und einer Hausfrau geboren. In Freiburg studierte er Theologie. Dort wurde er im Mai 1984 auch zum Priester geweiht. Er war fast drei Jahrzehnte im Vatikan tätig: 1995 wurde er nach Rom gerufen, wo er dann innerhalb der Kurie in die Glaubenskongregation kam.

Joseph Ratzinger, so der bürgerliche Name von Benedikt XVI., war dort damals Präfekt. 2003 machte er Gänswein zu seinem Assistenten, seit Ende 2012 war Gänswein Präfekt des Päpstlichen Hauses und hatte damit einen der wichtigsten Posten im Vatikan inne. Franziskus beurlaubte Gänswein dann vor wenigen Jahren und entzog ihm den Posten wenige Monate vor der Zwangsversetzung nach Freiburg ganz.

Gänswein lebt derzeit in Freiburg im Priesterseminar und feiert gelegentlich im Münster der Studentenstadt Gottesdienste, auch an Festtagen. Einen offiziellen Posten im Erzbistum hat er nicht.

Der Empfang für ihn in der Schwarzwaldmetropole war – zumindest nach außen hin – nicht besonders herzlich. Gänswein ist allerdings Ehrendomherr und kann die Gottesdienste im ehrwürdigen Münster auch künftig fortführen, falls er das möchte, wie es in Kirchenkreisen heißt.