
Velbert. Kann ein Verkehrsschild für eine Geschwindigkeitsbegrenzung so angebracht sein, dass es leicht übersehen wird? Und falls ja, ist ein Bußgeldbescheid dann noch rechtmäßig? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der Velberter Rolf Freischläger seit fast zwei Jahren. Er sieht in seinem Fall ein exemplarisches Problem: unklare Beschilderungen an vielen Stellen im Stadtgebiet, die ahnungslose Bürger zu Zahlungen zwingen. Obwohl er vor Gericht Recht bekommen hat, kämpft er weiter für eine Änderung der Beschilderung.
Die Geschichte begann im Dezember 2023, als Freischläger von der Poststraße in die Hans-Böckler-Straße abbog und nur wenige hundert Meter weiter geblitzt wurde. Fassungslos erhielt der 73-Jährige kurz danach einen Bußgeldbescheid: 75 Euro plus Gebühren für 51 km/h in einer Tempo 30-Zone. Aber: Von Tempo 30 an dieser Stelle hatte er bisher nichts gewusst, das Schild in der Dunkelheit schlicht übersehen.
Freischläger, der beruflich juristische Erfahrung gesammelt hat, legte sofort Einspruch ein. Er recherchierte die Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung. Und die besagt über den Standort eines Tempo 30-Schilds (unter anderem), dass es “auf ausreichende Entfernung vor dem Einfahren in den Bereich wahrgenommen werden kann.”
Laut Freischläger ist dies an der Hans-Böckler-Straße nicht der Fall. Das Tempolimit-Schild ist hier nur wenige Meter von der Einmündung entfernt angebracht. “Wer hier abbiegt, achtet vor allem auf Fußgänger, die Verkehrsinsel und den Kurvenverlauf”, so Freischläger. Das viel zu nah stehende Tempo 30-Schild werde beim Abbiegen schnell übersehen. Und bei Dunkelheit sei es dann gar nicht mehr zu erkennen, weil die Scheinwerfern der um die Kurve lenkenden Autos das Schild nicht mehr erfassten. Das hat er auch im Video festgehalten.
Die Stadt bestand auf der Zahlung, verklagte Freischläger und es kam zur Verhandlung vor dem Amtsgericht Velbert. Freischläger legte sein Videomaterial vor, das die schlechte Sichtbarkeit des Schildes belegte. Der Richter schloss sich seiner Ansicht an und wies die Klage der Stadt ab.
Für Rolf Freischläger hätte die Sache damit erledigt sein können, doch sein Gerechtigkeitsempfinden sagte ihm etwas anderes. Er wirft der Stadt “Abzocke” vor, da Bürger seiner Meinung nach unrechtmäßig zur Kasse gebeten werden. “Wenn das Schild falsch steht, muss es umgestellt werden”, fordert er. Da die Stadt Velbert nach der abgewiesenen Klage nicht aktiv wurde, bezog er die Kommunalaufsicht mit ein.
Er wandte sich an das Straßenverkehrsamt des Kreises Mettmann und schilderte den Fall. Die Behörde betont in ihrer Antwort, dass es sich gerade in Wohngebieten oft schwierig gestalte einen geeigneten Standort für Verkehrsschilder zu finden. Es gelte verschiedene Interessen zu berücksichtigen, beispielsweise die Erreichbarkeit von Zufahrten, das Freihalten von Gehwegen oder den Erhalt des Lichtraumprofils. Wenn man alle Belange gegeneinander abwäge, gebe die Formulierung “auf ausreichende Entfernung wahrnehmbar” in der Praxis auch den Spielraum, ein Schild direkt im Kreuzungsbereich aufzustellen, so die Einschätzung des Amts.
Das Amtsgericht Velbert sah das im Fall Freischläger wie erwähnt anders. Und auch Freischläger selbst gibt sich mit dieser Erklärung nicht zufrieden. Er ist zwischenzeitlich der Ratsfraktion Die Linke beigetreten und plant, gemeinsam mit dem Vorsitzenden Harry Gohr eine offizielle Anfrage an die Stadtverwaltung zu stellen. Die Verwaltung soll die Standorte prüfen und die Beschilderung so ändern, dass sie Verkehrsteilnehmer sehen und sich auch daran halten können, fordert Freischläger. Er ist überzeugt, dass sich das Problem nicht auf die Hans-Böckler-Straße beschränkt. “Viele weitere Tempo 30-Schilder in Velbert stehen nicht so, wie sie sollten”, ist der Velberter überzeugt.