700 Beschäftigte arbeiten am Kiekert-Hauptsitz in Heiligenhaus. Foto: Mathias Kehren

Heiligenhaus. Die Kiekert AG, Weltmarktführer für Kfz-Schließsysteme, hat heute beim Amtsgericht Wuppertal einen Antrag auf Eröffnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens gestellt. Ziel ist es, das Unternehmen unter dem Schutz des Insolvenzrechts zu restrukturieren und so seine Zukunftsfähigkeit zu sichern. Das Gericht hat Rechtsanwalt Joachim Exner von der Kanzlei Dr. Beck & Partner zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.


Der Geschäftsbetrieb an allen Standorten in Deutschland laufe uneingeschränkt weiter. Auch die Löhne und Gehälter der rund 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind bis einschließlich November durch das Insolvenzgeld gesichert, heißt es in der Mitteilung des Unternehmens.

Jérôme Debreu, CEO der Kiekert AG, sieht den Insolvenzantrag als notwendigen Schritt: “Die Kiekert AG hat sich in den letzten Jahren erfolgreich saniert und Vertrauen bei unseren Kunden zurückgewonnen. Das beweist ein Auftragsbestand von zehn Milliarden Euro. Die Insolvenz ist die direkte Konsequenz daraus, dass der chinesische Gesellschafter seine finanziellen Verpflichtungen in dreistelliger Millionenhöhe nicht erfüllt hat. Er hat uns den Zugang zu wichtigen Märkten und Finanzierungen verwehrt, was unsere Geschäftstätigkeit massiv gefährdet.”

Nur ein kleiner Teil des Umsatzes und des gebunden Kapitals seien in China verortet, so Debreu. Er sagt: “Wir dürfen nicht zulassen, dass geopolitische Restriktionen unser 96-prozentiges Kerngeschäft in Europa, Amerika, Japan und Südkorea gefährden. Der Ausstieg des Gesellschafters ist entscheidend, um unser Wachstum zu beschleunigen und die 168-jährige Geschichte von Kiekert als systemischen Zulieferer der Automobilindustrie fortzusetzen.”

Debreu betont, dass sein internationales Top-Management-Team bereit ist, alle Wachstumschancen zu nutzen und das Unternehmen von Einschränkungen zu befreien. “Wir werden eng mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter zusammenarbeiten, um eine erfolgreiche Restrukturierung sicherzustellen und Kiekert als verlässlichen Partner in der Automobilindustrie zu erhalten ‘back home’.”

Auftragsverluste durch US-Sanktionen

Zuletzt hat die Kiekert AG auch durch die geopolitischen Entwicklungen – insbesondere die US-Sanktionspolitik – erhebliche Auftragsverluste hinnehmen müssen. Amerikanische Kunden haben bereits erteilte Großaufträge zurückgezogen, Rating-Agenturen das Unternehmen aufgrund des chinesischen Gesellschafters heruntergestuft, Banken verweigern neue Kredite, heißt es von Unternehmensseite zu den Gründen für die Misere. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens soll nun genutzt werden, um die Kiekert AG zu restrukturieren und zukunftsfähig aufzustellen.

Hakan Civelek, Geschäftsführer der IG Metall Velbert, zeigt sich enttäuscht: “Wir haben gemeinsam mit Arbeitgeber und den Mitgliedern der Tarifkommission intensiv über einen Standortsicherungs-Tarifvertrag Gespräche geführt und unsere Kompromissbereitschaft unter Beweis gestellt. Unser Ziel war es, die Insolvenz zu verhindern und Kiekert am Standort in Heiligenhaus zu sichern, das hat leider nicht funktioniert. Nunmehr werden wir gemeinsam, insbesondere mit Unterstützung der Automobilhersteller und dem Insolvenzverwalter, das Unternehmen schnellstmöglich aus der Insolvenz führen.”

Uwe Höhndorf, Betriebsratsvorsitzender der Kiekert AG, betont: “Die Beschäftigten haben alles gegeben und waren bereit, ein millionenschweres Sanierungspaket zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit mitzutragen, um das Unternehmen zu stützen: Viele Kolleginnen und Kollegen stammen aus Familien, die seit Generationen bei Kiekert arbeiten und das Unternehmen geprägt haben. Die Belegschaft unterstützt den amtierenden Vorstand – der eingeschlagene Weg war und ist richtig.”

Von dem Verfahren nicht betroffen sind die ausländischen Tochtergesellschaften der Kiekert AG in Europa, Asien und Nordamerika. Sie arbeiten uneingeschränkt weiter.

Über die Kiekert AG

Die Kiekert AG wurde 1857 in Heiligenhaus gegründet. Das Unternehmen ist Weltmarktführer für Kfz-Schließsysteme und in zehn Ländern in Europa, Amerika und Asien mit Produktion sowie Forschung und Entwicklung vertreten. Von der Kiekert AG kommt das Schließsystemdesign für jedes dritte Auto weltweit. Derzeit beschäftigt die Unternehmensgruppe 4.500 Mitarbeitende.

Anm. d. Red.: Die Zitate von Gewerkschafter Hakan Civelek und dem Betriebsratsvorsitzenden Uwe Höhndorf wurden nach Mitteilung der Kiekert AG aktualisiert.