Eigene Abschiebeflüge nach Bulgarien können die Bundesländer laut Nordrhein-Westfalens Fluchtministerin Josefine Paul (Grüne) erst seit kurzem selbst organisieren.
Eigene Abschiebeflüge nach Bulgarien können die Bundesländer laut Nordrhein-Westfalens Fluchtministerin Josefine Paul (Grüne) erst seit kurzem selbst organisieren. Foto: Oliver Berg/dpa

Düsseldorf (dpa/lnw) – Nordrhein-Westfalens Fluchtministerin Josefine Paul (Grüne) hat Vorwürfe von AfD und FDP zurückgewiesen, wonach sie einen Abschiebeflug kurz vor der Bundestagswahl als PR-Maßnahme inszeniert haben soll. Erst seit November hätten die Bundesländer die Möglichkeit, eigene Charter-Abschiebeflüge nach Bulgarien durchzuführen, sagte Paul in einer Aktuellen Stunde des Düsseldorfer Landtags. 


Die Zentralstelle für Flugabschiebungen in NRW habe daraufhin sofort mit der Organisation einer solchen Maßnahme begonnen und dabei nicht die Bundestagswahl am 23. Februar im Blick gehabt, sondern das Gelingen. 

Am 11. Februar waren mit einem Charterflug aus NRW vier syrische und drei afghanische Männer nach Bulgarien abgeschoben worden, weil das Land als ursprüngliches Ersteinreiseland in die EU für ihren Asylantrag zuständig war. Das sei «kein Wahlkampfmanöver», sondern zeige deutlich, «dass nordrhein-westfälische Behörden hier konsequent arbeiten», betonte Paul.

In der hitzigen, vorletzten Plenardebatte vor der Bundestagswahl warf die stets energisch auftretende AfD-Abgeordnete Enxhi Seli-Zacharias der Ministerin vor, sich als «Abschiebe-Königin» zu inszenieren. Dabei seien nur sieben Asylbewerber in einem Airbus abgeschoben worden, der eigentlich Platz für 220 Passagiere biete. 

Was kostet ein Airbus-Charterflug für sieben Abgeschobene?

Paul antwortete nicht auf die Frage, ob es stimme, dass die Kosten für einen solchen Charterflug bei 200.000 Euro lägen. Zur geringen Personenanzahl erklärte sie, derzeit stünden zwei Chartermöglichkeiten pro Monat nach Bulgarien zur Verfügung. Dabei könnten maximal zehn Menschen rückgeführt werden. Mehr sei nach Aussage des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge nicht möglich – unabhängig von der Größe des Flugzeugs.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Mehrdad Mostofizadeh, lobte die SPD, weil die Oppositionsführerin der Verlockung widerstanden habe, wenige Tage vor der Wahl den AfD-Aufschlag im Landtag auch für eigene Attacken gegen die Ministerin zu nutzen. SPD-Vizefraktionschefin Lisa-Kristin Kapteinat warf der AfD gleich zu Beginn ihrer Rede vor: «Sie nutzen diese Aktuelle Stunde, um zu hetzen und zu spalten.» Da mache die SPD nicht mit.

Was ist eine «Abschiebe-Königin»? 

«Sie verwenden Begriffe wie „Abschiebe-Königin“ – was ist das denn für ein Begriff?», empörte sich die Sozialdemokratin. «Wir sprechen hier immer noch von Menschen.» Auch, wenn es um Personen gehe, die zu Recht das Land verlassen müssten. Die AfD erwecke hingegen mit ihrer Rhetorik den Eindruck, «als würde es darum gehen, hier irgendwelche Gewinne einzufahren und als könnte man sich da irgendwelche Orden an die Jacke anheften». 

Die SPD-Politikerin stellte sich sogar ausdrücklich vor die Grünen-Ministerin und warf der AfD vor, sie lege Paul Worte in den Mund, die sie nie gesagt habe, nur um kurz vor der Bundestagswahl «noch mal Feuer zu legen, noch mal zu hetzen».

Ein ganz anderes parteiübergreifendes Band enthüllte überraschend die AfD-Abgeordnete Seli-Zacharias – nachdem es nun endgültig gerissen sei, wie sie bekannte. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sei «die Person im Kabinett gewesen, die ich am meisten respektiert habe», sagte sie. Auch Menschen aus der AfD hätten Hoffnung in den CDU-Politiker gesetzt haben, weil der als Mann gegolten habe, der durchgreife. «Das sage ich ganz offen und ehrlich. Ich stehe dazu.»

Ist Innenminister Reul noch «Law-and-Order-König»?

Inzwischen habe Reul aber an Reputation eingebüßt, meinte Seli-Zacharias unter anderem mit Verweis auf ein Interview des Ministers mit RTL West vor einer Woche. Dort hatte der Innenminister auf die Frage nach der Sicherheit im Straßenkarneval geantwortet: «Wenn man ganz sicher sein will, dann müsste man zu Hause bleiben – und da kann auch der Gasofen explodieren.» 

Das sei «die reine Kapitulation», meinte sie AfD-Politikerin. «Und das von einem Mann, der von der CDU als der Law-and-Order-König gehandelt wird», setzte sie ihre rhetorischen Monarchie-Kunstgriffe fort.

Im Gegensatz zur SPD nutzte die FDP ihre Redezeit voll, um Breitseiten gegen die Grünen abzufeuern. Immer wieder seien Rückführungen in NRW durch «bürokratische Hürden, politische Zurückhaltung und ideologische Blockaden» von den Grünen ausgebremst worden, kritisierte FDP-Fraktionsvize Marc Lürbke. 

FDP wittert Wahlkampfmanöver mit Abschiebeflug

Der Abschiebeflug nach Bulgarien sei «eine Alibi-Aktion, um von den eigenen Versäumnissen in der Asylpolitik abzulenken». Als Beispiel nannte er die im Vorfeld misslungene Abschiebung des mutmaßlich islamistisch motivierten Messerstechers von Solingen – «und das, obwohl offenbar ausreichend Möglichkeiten bestanden hatten».

Dies werde der parlamentarische Untersuchungsausschuss des Landtags aufklären, erwiderte die Fluchtministerin. Dort lägen alle Unterlagen zu den restriktiven bulgarischen Überstellungsmodalitäten vor. 

Wo bleibt das Positive?

Der Vorsitzende des parlamentarischen Integrationsausschusses, Gregor Kaiser (Grüne) beklagte, es werde viel zu wenig über Eingliederung, schulische Ausbildung oder psychologische Betreuung gesprochen. Stattdessen dominiere «ein negativer Blick und somit wird das gesellschaftliche Klima immer schlechter».

Der CDU-Abgeordnete Gregor Golland betonte, NRW habe im vergangenen Jahr mit 4.440 Abschiebungen und Überstellungen an Ersteinreiseländer ein Plus von 21 Prozent im Vergleich zu 2023 erreicht. Dabei werde allerdings verschwiegen, dass etwa ebenso viele Rückführungen gescheitert seien, hielt Lürbke dagegen.