Velbert. Berufskolleglehrerin Andrea Sander hat drei ihrer Schülerinnen befragt, wie es mit den Frauenrechten in ihren Herkunftsländern steht, und was sie bewegt hat, nach Deutschland zu kommen und hier zu studieren. Ihr lebensnaher Bericht gibt Einblick in die Situation von jungen Frauen in Syrien und China.
Jährlich am 8. März wird der Internationalen Frauentag. In Rot markiert fällt er als Feiertag ins Auge, zumindest in den Bundesländern Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Auch die Geschäfte haben hier zu. In allen anderen Bundesländern ist es nicht so. Und sicher nehmen deshalb nicht wenige den Tag gar nicht wahr.
Worum geht es eigentlich? Um ein Zeichen für Frauenrechte und Gleichberechtigung zu setzen und auf bestehende Missstände aufmerksam zu machen, wurde vor über 100 Jahren der internationale Weltfrauentag eingeführt. In Deutschland haben schon Mütter und Großmütter um Gleichberechtigung gekämpft, der heutigen Generation so den Weg bereitet. Eigentlich ist doch dann alles gut, oder? Leider nein. Nicht in jedem Land dieser Erde geht es den Frauen so gut wie bei uns.
Andrea Sander ist Lehrerin am Berufskolleg Bleibergquelle. Sie hat drei ihrer Schülerinnen befragt. Die jungen Frauen stammen aus Syrien und China – wie es in ihren Herkunftsländern mit Frauenrechten aussieht – und warum sie und ihre Familien nun hier in Deutschland sind.
Drei Frauen, drei Leben
Von Andrea Sander
Drei Frauen, drei Leben – was ihnen aber allen gemeinsam ist, dass sie aus unterschiedlichen Gründen ihr Heimatland verlassen und versucht haben, in Deutschland Fuß zu fassen. Mit der Ausbildung im Berufskolleg Bleibergquelle haben sie Perspektive für ihr Leben gefunden.
Als die Wohnung und die Universität in Raqqa, an der Heba Grundschullehramt studiert, zerstört wird, flieht sie mit ihrer Familie in ein kleines Dorf. Ohne Zeugnisse kann sie ihr Studium nicht nachweisen. In die Stadt kann sie nicht zurück. Ihr Mann und sie haben keine Hoffnung auf Änderung. Hier reift die Entscheidung, Syrien zu verlassen. Erst geht ihr Mann. Dann folgt Heba mit Mutter und Kindern.
In Deutschland fängt sie gefühlt bei null an. Die Sprache, Anerkennung, sie findet keinen Kindergartenplatz für ihre Tochter – also lernt sie für die Sprachprüfung zuhause und besteht. Sie macht ein Praktikum in der Kita und beginnt die Ausbildung im Berufskolleg Bleibergquelle als Erzieherin. „Die Schule und die LehrerInnen waren und sind eine Unterstützung für mich, indem Sie mich ermutigen und mir sagen, dass ich es schaffen kann, weil ich den klaren Willen habe“. Wie dankbar und glücklich sie ist in Deutschland zu leben wird deutlich, wenn sie sagt, dass sie hier die Chance auf ein ganz neues Leben hatte. Sicherheit, Perspektive, aber auch Freiheit, vor allem für sie und ihre Tochter. Zurück will sie nicht.
„Männer entscheiden über das Leben der Frauen“
In dem Teil von Syrien, in dem sie lebte, entscheiden die Männer über das Leben der Frauen. Heba hatte Glück, ihr Vater förderte sie und gab ihr die Erlaubnis, ein Studium zu ergreifen. Das war besonders. Heba selbst hat oft erlebt, dass es Familien gab, in denen die Frau keine Entscheidungsmöglichkeiten hatten. „Es ist nicht die Religion, sondern die Tradition. In manchen Familien ist die Frau nicht mehr wert als ein Stuhl oder ein Tisch.“ Hier in Deutschland erlebt sie Gerechtigkeit und sieht, dass Frauen wie sie ihre Möglichkeiten nutzen können. „Frauen sind stark. Sie bekommen die Kinder. Sie sind das Leben“, meint Heba und lacht.
Salamiah ist eine kleine Stadt in Syrien. Hier war Nesrin zuhause. Sie ist Muslima, aber entgegen der Vorurteile konnte sie in ihrer Heimat als Frau eine Ausbildung machen. Selbst ein anschließendes Studium in französischer Literatur und einer Arbeit nachzugehen war möglich. Nesrin konnte auch den Mann heiraten, den sie liebte. Der Krieg und ein Raketenbeschuss ganz in der Nähe ihres Hauses war es, der sie und ihren Mann zwang, ihre Heimat zu verlassen. “Ich war schwanger mit meinem zweiten Kind und hatte Angst um meine Familie. Gott sei Dank, dass wir jetzt hier leben können.“
Flucht vor dem Krieg in Syrien
Deutschland habe ihnen Sicherheit und neue Perspektiven gegeben. Ihre Anfangszeit in Deutschland war trotzdem sehr schwer für die junge Familie, insbesondere für sie als Frau. Mit dem Baby war sie viel zuhause. Erst nach einem Jahr konnte sie einen Sprachkurs machen. In dieser Zeit und auch heute noch half ihr eine deutsche Freundin, sich nicht mehr so fremd zu fühlen. „Sie war und ist ein Engel.“ Auch ihr Mann war ihr immer eine große Hilfe.
In der Schule habe sie sowohl Akzeptanz als auch persönliche Unterstützung erfahren. Ohne diese hätte sie all die Herausforderungen nicht gemeistert. Dafür ist sie sehr dankbar. Jetzt ist sie Erzieherin, hat einen Führerschein und einen Job. In Deutschland gäbe es viel mehr Möglichkeiten zu lernen und sich weiterzuentwickeln als in Syrien. Frauen werden auch finanziell unterstützt. „Wenn sie verheiratet sind, sind die Frauen in Syrien finanziell abhängig. Will die Frau sich scheiden lassen, ist sie oft mittellos und die Kinder werden ohnehin dem Vater zugesprochen.“ Sie wünscht sich für alle Frauen mehr Entscheidungsfreiheit, Sicherheit und Bildung.
Der Liebe nach Deutschland gefolgt
Kaiyan kommt aus China, hat dort studiert und die Liebe zu ihrem Mann hat sie nach Deutschland geführt. Im Vergleich zu China lebt sie hier freier. „In China müssen wir den Anordnungen … höherer Autoritäten, wie z.B. Eltern, Lehrer, Vorgesetzte … bedingungslos gehorchen … Auch Konflikte werden eher vermieden oder vertuscht.“
In Deutschland vor allem in ihrer Ausbildung als zukünftige Erzieherin in der Bleibergquelle habe sie gelernt, dass es besser sei, sich Konflikten zu stellen und sie zu lösen. Auch die Hilfsbereitschaft der LehrerInnen und das Angebot an praktischen und außerschulischen Aktivitäten ist für sie neu und hat ihr eine neue Art des Schullebens im Vergleich zu China gezeigt.
Geholfen hat ihr auch, dass sie ihr kleines Kind in der Kita der Bleibergquelle aufgehoben wusste. An Deutschland schätzt sie besonders, dass sie ihre Meinung frei sagen kann. Sie wünscht sich für alle Frauen dieser Welt, die Liebe ihres Herzens, ihren Lieblingsjob und ihren Lieblingslebensstil finden zu dürfen.