Ein Bus der WSW ist unterwegs. Foto: Volkmann
Ein Bus der WSW ist unterwegs. Foto: Volkmann

Gelsenkirchen. Noch im August geht es für neun Euro durch die gesamte Republik. Ab September kehren die Verkehrsverbünde wieder zu ihren verherigen Ticketmodellen zurück. Kommunen, Verbünde und Verkehrsunternehmen fordern nun mehr finanzielle Mittel für den ÖPNV. Aufgrund einer steigenden Finanzierungslücke drohen deutliche Preissteigerungen.


Noch fährt es sich günstig und einfach im öffentlichen Nahverkehr. Das ändert sich jedenfalls ab September wieder, wenn das geförderte 9-Euro-Ticket ausläuft und Fahrten mit Bus, Bahn und Zug wieder so sind, wie vor der Aktion. Inzwischen schlagen Kommunen, Verbünde und Verkehrsunternehmen in einem gemeinsamen Appell Alarm. Sie möchten auf die “ prekäre Lage in der Nahverkehrsbranche“ aufmerksam machen.

Mit den Lockerungen der Corona-Beschränkungen ist das gesellschaftliche Leben weitestgehend normalisiert. „Damit nehmen die Fahrtanlässe wieder zu und lassen, ebenso wie das 9-Euro-Ticket, die Fahrgastzahlen wieder ansteigen“, so der VRR, auch wenn die Fahrgastzahlen noch unterdem Niveau von „vor Corona“ liegen.

Damit der Fahrgasteffekt des 9-Euro-Tickets keine Momentaufnahme bleibt, bedürfe es einer umfangreichen und langfristigen Finanzierung aus den Haushalten des Bundes und der Länder sowie passender Rahmenbedingungen, mahnen die Akteure. Es zeichne sich ab, dass die Einnahmen, die die Verkehrsunternehmen benötigen, um ihre Aufwandssteigerungen zu decken, nicht mehr ausreichen.

In der Erklärung heißt es hierzu: „Mit den durch die von Bund und Land zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel im Rahmen des Corona-Rettungsschirms sind die Einnahmeausfälle bis Ende des Jahres aufgefangen worden. Und auch die Fahrgeldausfälle aus dem 9-Euro-Ticket gleicht der Bund vollständig aus. Zudem gewährt das Land NRW einen pauschalen Ausgleich an die Verkehrsunternehmen für die gestiegenen Energiekosten. Neben den allgemeinen Kostensteigerungen bei Energie und Personal sind es die Kosten für eine lückenlose digitale Fahrgastinformation sowie Investitionen in die moderne und barrierefreie Infrastruktur und in Fahrzeuge mit sauberen, emissionsarmen Antriebstechnologien, die es zukünftig zu kompensieren gilt. Wenn Ende August die Aktion zum 9-Euro-Ticket ausläuft, werden die Verbünde und Tarifgemeinschaften auf das alte Preisniveau zurückgehen.“

Die Branche rechnet auch im kommenden Jahr mit Corona-Auswirkungen. Zudem müssten die weiter steigenden Energiekosten und die Inflation geschulter werden.

Die Nahverkehrsakteure in Nordrhein-Westfalen gehen für das Jahr 2023 von einem kurzfristigen Finanzierungsbedarf von circa 500 bis 600 Millionen Euro aus.

„Dies zeigt sehr deutlich, wie groß die Misere der Branche für die nächsten Jahre ist“, hieß es. Und das sei bundesweit der Fall. Die Verkehrswende sei nötig, allerdings eine große Herausforderung.

Fundament für langfristige Finanzierung des ÖPNV schaffen

Auf die Kommunen abgewälzt werden, können die Kosten offenbar nicht. Die Finanzierung des ÖPNV sei dort weitestgehend ausgereizt und lasse allenfalls wenig Raum für zusätzliche Angebote. Und: Die explodierenden Aufwandssteigerungen setzen sie massiv unter Druck. Herausforderungen stehen damit ebenso den Kommunen mit Auslaufen des Corona-Rettungsschirms bevor.

Daher richten Kommunen und ÖPNV-Branche gleichermaßen einen deutlichen Appell an Bund und Land, die Finanzierung der Nahverkehrsleistungen nachhaltig auszubauen und neben den erforderlichen Investitionen in Infrastruktur und Fahrzeuge auch die gestiegenen und weiter steigenden Betriebs- und Personalkosten sowie den Ausgleich der Corona-bedingten Einnahmeausfälle zu fördern.

Der ÖPNV von morgen und übermorgen brauche heute schon entsprechende Mittel, rufen die Akteure auf. „Andernfalls müssten die bisherigen turnusmäßigen Fahrpreissteigerungen überproportional zu den Vorjahren angehoben oder das Angebot reduziert werden“, hieß es. Im ländlichen Raum würde eine Angebotskürzung zudem oftmals zu einem Riss der Reiseketten führen.

Das sei weder gewollt noch zielführend, denn alle Nahverkehrsakteure sind sich einig: „Um die internationalen Klimaziele zu erreichen und den ÖPNV voranzubringen, müssen das Angebot gestärkt und deutlich mehr Fahrgäste für eine klima- und umweltfreundliche Mobilität mit Bus und Bahn gewonnen werden.“

Es fehle an nachhaltigen Lösungsvorschläge für eine gesicherte und auskömmliche Finanzierung, die es den Verkehrsunternehmen ermöglichen, ihre Nahverkehrsleistungen dauerhaft zu sichern und im erforderlichen Maße in Innovationen, Infrastruktur, Fahrzeuge und Betrieb zu investieren, so die Kritik. Sie fordern „Verbindlichkeit“.