Der Fußweg vom Flehenberg zur Düsseler Straße. Links davon könnte ein neues Wohngebiet entstehen. Foto: Kling

Wülfrath. Im Juni hat der Rat der Stadt Wülfrath mit den Stimmen von CDU, SPD, Wülfrather Gruppe und FDP beschlossen, die Planung für eine Bebauung am Flehenberg voranzutreiben. Es geht um eine Fläche zwischen den Straßen Am Flehenberg, Düsseler Straße und Oetelshofer Weg. Dort sollen 91 Wohneinheiten in Ein- und Mehrfamilienhäusern entstehen, mindestens 40 Prozent davon öffentlich gefördert. In einem offenen Brief „an die Vertreter der Stadt Wülfrath“ schreibt Dr. Hans Jörg Scheven, Oetelshofer Weg 7,42489 Wülfrath:


Sie haben am 25.06.2024 den Beschluss gefasst, ca. 19.000 qm bestes Ackerland zu versiegeln. Es gibt keinen Zweifel, dass das unter Berücksichtigung der rasanten Klimaänderungen ein falscher und fataler Entschluss ist. Die Hitzewellen und Starkregenereignisse nehmen an Stärke und Frequenz drastisch zu. Beinahe täglich berichten die Nachrichten von, zuvor nicht gekannten, Unwettern und Regenmengen, die zu lokalen und regionalen Überschwemmungen, vollgelaufenen Kellern, hohen Sachschäden und zunehmend auch zu menschlichen Opfern führen.

Der Klimawandel vollzieht sich mit einer, auch von der Wissenschaft bis dato, unerwarteten Geschwindigkeit. Seit einigen Jahren, bricht fast jeder Monat und jedes Jahr Hitze- und Regenrekorde. Nachdem 2023 das regenreichste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnung vor 143 Jahren war, setzte sich der Trend im ersten Halbjahr 2024 mit weiteren Niederschlagsrekorden fort, so dass Jul2023-Jun2024 erneut die regenreichsten 12 Monate seit 143 Jahren waren! Diese rasante klimatische Veränderung wird zweifellos dazu führen, dass wir bald noch deutlich stärkere und häufigere Extremwettereignisse erleben werden. Erst vor wenigen Wochen (24. Juli 2024) hat ein Hochwasser der Düssel in Erkrath zu Überschwemmungen mit Millionenschäden geführt und genau dorthin wird auch das geplante Baugebiet entwässert werden.

Wülfrath kann sicher nicht den globalen Klimawandel stoppen und umkehren, aber JETZT müssen die richtigen Entscheidungen getroffen werden um die Auswirkungen so gut wie möglich abzumildern anstatt sie weiter zu befeuern. Unter Fachleuten besteht Einigkeit über vorrangige und essentielle städtebauliche Maßnahmen um sowohl den „normal“ werdenden hohen Regenmengen, als auch der z.T. lebensbedrohlichen Erwärmung besonders im städtischen Bereich Rechnung zu tragen. Diese überlebensnotwendigen Maßnahmen sind zu aller erst die Entsiegelung und Wiederbegrünung. Immer mehr Städte und Kommunen haben das erkannt und investieren bereits hohe Summen, um das bei bebauten, betonierten und asphaltierten Flächen zu tun. Es ist absolut unverständlich dass in Wülfrath das genaue Gegenteil passiert, als wäre der Klimawandel nicht Realität und könne ignoriert, oder geleugnet werden.

Viele Menschen träumen von einem Eigenheim, aber Beispiele wir die Bebauung am Haselnussweg zeigen, dass es illusorisch ist, heute noch von einer Umsetzbarkeit solcher Vorhaben auszugehen, wie es vor Corona der Fall war. Die Kosten sind explodiert und werden es wohl weiter tun, sodass immer weniger Menschen sich ein Eigenheim bauen können. Am Ende ist eine weitere große Fläche für wenige Bauten geopfert worden.

Wülfrath leidet bereits jetzt unter einer Unterversorgung mit Kindergarten- und Schulplätzen. Es ist mir unverständlich, wie die Stadt dieses Problem bei Ihrer Planung ausblendet und stattdessen weiter verschärft. Ich würde erwarten, dass zuerst die erforderliche Infrastruktur geschaffen wird, anstatt die gegenwärtige Situation zu ignorieren und mit ihrer Planung beim Bau weiterer 91 Häuser und Wohnungen zu verschlimmern. Aus genau diesem Mangel an erforderlichen Kindergarten- und Schulplätzen, hatte die Stadt Mettmann beschlossen, von einem neuen Baugebiet abzusehen.

Der andauernde Landverbrauch bedeutet zudem eine Herabsetzung der Lebensqualität, den viele Wülfrather Bürger schon jetzt beklagen.

Wir brauchen Wohnraum, aber es ist überlebensnotwendig, dass dieser klimaverträglich entsteht und es gibt viele gute Beispiele wie das ohne weiteren Flächenverbrauch und ohne unmittelbare Verschärfung der Auswirkungen des Klimawandels geschehen kann. Auch die Stadt Wülfrath hatte genau das erkannt und am 08.03.2022 den richtigen Etschluss gefasst, „der Empfehlung des Planungsamtes zu folgen und eine Bebauung auf der grünen Wiese zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht voranzutreiben. Damit wird dem am 01.10.2019 vom Rat beschlossenen Grundsatz – Innenentwicklung vor Aussenentwicklung – gefolgt“.

Ich fordere Sie daher auf, Ihre falsche und fatale Entscheidung zu korrigieren und die am 01.10.2019 gefasste Richtlinie, wonach die vollständige Nutzung der im Stadtgebiet liegenden Flächen den Vorrang vor weiterer Flächenversiegelung haben muss wieder als Ziel zu verfolgen, auch wenn dies vielleicht teurer ist, als einen nackten Acker platt zu machen. Nicht nur die Wülfrather werden es Ihnen danken.

Ich frage mich, wessen Interessen hier verfolgt werden. Es sind sicher nicht die der Bürger, die sie vertreten, sondern bestenfalls die einiger weniger, welche erhoffte finanzielle Vorteile über offensichtliche Notwendigkeiten stellen.