Hochspannungsmasten sind vor blauem Himmel zu sehen. Foto: Verbraucherzentrale NRW
Hochspannungsmasten sind vor blauem Himmel zu sehen. Foto: Verbraucherzentrale NRW

Düsseldorf. Steigende Energiepreise, Gas- und Stromversorger wie „gas.de“ oder „immergrün“ stellen kurzfristig ihre Belieferung ein, und von Preiserhöhungen vieler Energieversorger ist täglich zu lesen. Die aktuellen Energiemarktturbulenzen treffen Verbraucher hart.

Stellen Energieversorger ihre Belieferung ein, stehen Betroffene zwar nicht unmittelbar ohne Strom und Gas da, sondern fallen in den Grundversorgungstarif ihres kommunalen Energieversorgers. Allerdings führen einige dieser Grundversorger aktuell andere Tarife für Neukunden ein. Diese liegen preislich teilweise deutlich höher als der Grundversorgungstarif für Bestandskunden.

Energieexperte Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale NRW ordnet die aktuelle Situation ein und gibt die folgenden Handlungsempfehlungen für betroffene Verbraucher:

Was ist der Hintergrund für die Einführung von Neukundentarifen in der Grundversorgung einiger Energieanbieter?

Die Energieversorger reagieren auf die stark gestiegenen Börsenpreise bei Strom und vor allem bei Gas. Die neuen Tarife sind aber ebenso eine Reaktion auf zu erwartende Neukunden, die derzeit von Anbieterinsolvenzen oder Belieferungstopps betroffen sind. Dabei sollen Bestandskunden weiterhin eher günstig beliefert werden, während Betroffene mit Neuverträgen die stark gestiegenen Beschaffungskosten unmittelbar und deutlich zu spüren bekommen.

Die Beschaffungsstrategie in der Grundversorgung wird von den Vertrieben als gut planbar ausgelegt. Für Neukunden wird hingegen argumentiert, dass zusätzliche Energiemengen zu den aktuell hohen Preisen beschafft werden müssen. Der Verbraucherzentrale NRW ist die Schutzfunktion der Grundversorgung für Betroffene ein besonderes Anliegen. Gleichwohl sehen wir die Umsetzung kritisch. Es bleiben wichtige Fragen offen und die rechtliche Zulässigkeit dieser Ungleichbehandlung muss geklärt werden.

Worauf konkret zielt Ihre Kritik an der Spaltung der Grundversorgungstarife?

Schon in den vergangenen Jahren haben wir die Tarife in der Grundversorgung immer wieder kritisiert. Nach unserer Auffassung und entsprechenden Marktrecherchen sind viele der Grundversorgungstarife überhöht und garantieren Anbietern dementsprechend hohe Gewinnmargen. Die gegenwärtige Entwicklung, die Spaltung der Grundversorgungstarife, zielt in die gleiche Richtung.

In manchen Fällen zahlen Betroffene mit Neuverträgen in der Grundversorgung mehr als das Doppelte als vergleichbare Bestandskunden. Die Verbraucherzentrale NRW ist der Auffassung, dass diese Ungleichbehandlung rechtlich als zweifelhaft anzusehen ist. Diese Vorgehensweise widerspricht unserem Verständnis des freien Marktes und der Liberalisierung im Energiemarkt deutlich. Eine Bestrafung oder Schikanierung von Kundenkreisen, die ihren Anbieter gewechselt haben, kritisieren wir scharf. Die Spaltung der Grundversorgungstarife darf als Folge der extremen Energiepreisanstiege daher nicht von Dauer sein.

Wie sollen sich aktuell betroffene Verbraucher verhalten?

Kunden, denen ihr Energieversorger einen Belieferungsstopp mitgeteilt hat, sollten sich die Geltendmachung eines Schadensersatzes vorbehalten. Betroffene, die in Folge eines Belieferungstopps in einen teuren Neukundentarif der Grundversorgung fallen, sollten im ersten Schritt schriftlich Widerspruch einlegen und den Grundversorger dazu auffordern, das Preisniveau auf das der Bestandskunden anzugleichen, so kann später ein möglicher Schadensersatz geltend gemacht werden.

Alternativ sollten sich Betroffene möglichst kurzfristig einen preisgünstigeren Anbieter über entsprechende Vermittlungsportale suchen, falls der entsprechende Grundversorgungstarif deutlich überteuert ist. Insbesondere Tarife mit kurzer Laufzeit von bis zu sechs Monaten bieten sich hier an, um die gegenwärtige Situation zu überbrücken.

Aber auch hier gilt Vorsicht, denn nicht immer stimmen Suchergebnis im Portal und tatsächliches Vertragsangebot überein. Überprüfen sollten Verbraucher auch, ob die Kosten des Vergleichstarifs, mit denen das Portal rechnet, auf sie zutreffen. Aktuell ist nicht absehbar, ob sich die Energiemärkte im kommenden Jahr normalisieren werden. Verbraucher sollten die Entwicklung beobachten und spätestens in den Sommermonaten erneut einen Preisvergleich durchführen.

Der sogenannte Grundversorger ist immer das Unternehmen, das in einem bestimmten Netzgebiet die meisten Kund beliefert. Oft, aber nicht immer, sind das die örtlichen Stadtwerke.

Der zuständige Grundversorger kann beim Netzbetreiber erfragt werden. Der Netzbetreiber ist in der Regel auf der jeweiligen Energierechnung zu finden. Alternativ kann der Grundversorger durch Eingabe der Postleitzahl über ein Vermittlungsportal ermittelt werden, denn der Grundversorger ist üblicherweise der voreingestellte Vergleichstarif. Informationen gibt es über die Verbraucherzentrale NRW unter: www.verbraucherzentrale.nrw.