Die Bewohnerinnen und Bewohner eines Lebenshilfe-Wohnhauses in Ratingen zeigen, worum es bei den geplanten Feierlichkeiten geht: den 60. Geburtstag. Foto: Lebenshilfe Kreis Mettmann
Die Bewohnerinnen und Bewohner eines Lebenshilfe-Wohnhauses in Ratingen zeigen, worum es bei den geplanten Feierlichkeiten geht: den 60. Geburtstag. Foto: Lebenshilfe Kreis Mettmann

Ratingen. Die Lebenshilfe im Kreis Mettmann feiert einen runden Geburtstag: Seit 60 Jahren setzt die Organisation sich für Menschen mit Behinderung ein. Zum Jubiläum lässt die Lebenshilfe ihre Entwicklung Revue passieren – und auch die tiefgreifenden rechtlichen und gesellschaftlichen Veränderungen. Denn: Ein selbstbestimmtes Leben haben Menschen mit Behinderung noch in den 1960ern längst nicht immer führen können. 

Seit 60 Jahren macht sich die Lebenshilfe im Kreis Mettmann für die Rechte und Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung stark. Gefeiert wird der runde Geburtstag mit einem inklusiven Fest am Samstag, 19. August, ab 13 Uhr in der Langenfelder Innenstadt. Mit dabei sind neben prominenten Geburtstagsgästen auch diejenigen, um die sich bei der Lebenshilfe seit Jahrzehnten alles dreht: Menschen mit Behinderung.

Dazu zählt zum Beispiel Steffi Wiegel, die bei der Sportabteilung der Lebenshilfe Kreisvereinigung Mettmann trainiert. Sie ist eine erfolgreiche Athletin — und hat das Down-Syndrom. Heute schließt sich beides längst nicht mehr aus. Der Weg dahin war jedoch alles andere als einfach. Und er geht weiter: „Am Ziel angekommen sind wir in Sachen Teilhabe und Inklusion auch 60 Jahre nach der Gründung der Lebenshilfe im Kreis Mettmann noch nicht“, sagt Uli Gaßmann, pädagogischer Geschäftsführer der Lebenshilfe Kreisvereinigung Mettmann.

Sechziger: Ein Alltag voller Ausgrenzung

Bis in die 1960er Jahre war der Alltag von Menschen mit Behinderung und ihrer Familien geprägt von Ausgrenzung. Teilhabe, Förderung und Unterstützung für Kinder und Erwachsene mit geistiger Behinderung gab es nicht. Ein Zustand, den Eltern von Kindern mit Behinderung nicht mehr hinnehmen wollten. Sie engagierten sich, forderten Bildung und Förderung für ihren Nachwuchs. Was 1958 in Marburg durch eine kleine Gruppe von Eltern um den Gründungsvater der Bundesvereinigung Lebenshilfe Tom Mutters begann, setzte sich auch im Kreis Mettmann fort.

Am 29. April 1963 gründete sich die Ortsvereinigung Ratingen der Lebenshilfe. Wie es damals um die Lobby von Menschen mit Behinderung stand, sagen schon die Erhebungen aus dem Kreis Mettmann aus: Es gab schlichtweg keine. Die Anzahl der im Kreisgebiet lebenden Menschen mit Behinderung war nicht bekannt.

Das Engagement betroffener Familien in den 1960er Jahren war der Anstoß zu großen Veränderungen. Schritt für Schritt rückten die Rechte und Bedürfnisse von Kindern und Erwachsenen mit Behinderung mehr in den Fokus der Gesellschaft. Heute betreut die Lebenshilfe in der Region rund 160 Kinder in der Frühförderung. Mehr als 250 Menschen mit geistiger Behinderung leben in den verschiedenen Wohnformen und rund 90 Familien werden vom Familienunterstützenden Dienst begleitet. Ein ehrenamtlicher Vorstand, rund 200 Mitarbeitende und 500 Mitglieder setzen sich dafür ein, dass Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben mitten in der Gesellschaft führen können.

Auch die Lebenshilfe selbst hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. „Wir nehmen mehr und mehr Abschied von der zentralen Versorgungsstruktur in unseren Wohnhäusern, die ein Rund-um-sorglos-Paket bietet“, sagt Gaßmann. „Wir fragen vielmehr danach, wie unsere Klienten und Klientinnen ihr Leben leben möchten. Wir sehen uns als ihre Möglichmacher, die dabei helfen, Barrieren im Alltag abzubauen.“ Mittendrin — nicht nur dabei. Das kann man auf die Zukunft übertragen, die Uli Gaßmann sich wünscht. Das alles geht jedoch nicht von heute auf morgen und vor allem nicht mit der Brechstange. „Es wird immer Angebote brauchen, die Menschen zur Verfügung stehen, die einen besonderen Schutz brauchen und auf sie abgestimmt sind.“